
Storytelling for Future
Zukunftsweisende Narrative in den DaFZ-Unterricht bringen: Storytelling und das Naturverständnis im Norden und der Arktis
Die Bedeutung von Sprache in der Nachhaltigkeitsdebatte ist nicht zu unterschätzen. Sprache formt Narrative, und Narrative bestimmen unser Verständnis der Wirklichkeit. Dies trifft auch auf Nachhaltigkeitskommunikation zu. Schon deswegen ist es wichtig und richtig, Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in den Sprachunterricht zu tragen. Lehrende haben die Möglichkeit, ihrer Lerngruppe über den Unterricht unterschiedliche Nachhaltigkeitsnarrative nahe zu bringen. Die Narrative sollten den Schüler:innen Denkanstöße geben und im Idealfall handlungs- und veränderungsauslösend sein. Um die Lehrenden bei diesem Schritt zu unterstützen, ist das Ziel des hier vorgestellten Ansatzes, Beispiele für ein positives Zusammenspiel von Menschen und Natur zu geben. Der Gedanke dahinter ist, dass für eine gesellschaftliche Veränderung zukunftsweisende Narrative nötig sind, die nachhaltige Möglichkeitsräume sinngebend aufzeigen (Borner 2020, 202). Die Umsetzung eignet sich für Zielgruppen ab Niveau B1 in der Schule oder Erwachsenenbildung.
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Storytelling im DaFZ-Unterricht
Sprache kann verbinden oder abgrenzen, je nachdem, wie sie eingesetzt wird. Für Lehrende von Fremdsprachen ist Ersteres das Ziel: Sprache soll Verständnis und Gemeinschaft schaffen. Allerdings sorgt die Kenntnis von Worten allein noch nicht für ein Verständnis für die Lebenssituation der Menschen, die die Sprache sprechen. Genau hier kommt die Erzählung, das Storytelling, als Vermittlungsmethode ins Spiel. Auf die persönliche Ebene gebracht, entfaltet Sprache einen ganz anderen Lerneffekt. Dabei spielt eine wichtige Eigenschaft von Sprache eine Rolle: Sprache trägt Emotionen. Erzählungen machen neugierig und sind unterhaltsam. Sie bieten ein enormes Motivationspotenzial zum Sprachenlernen, da die Lernenden die Fremdsprache als Kommunikationsmittel entdecken. Sie geben den Lernenden einen Kontext, der sie im Lernprozess unterstützt:
1. Durch die Erzählungen werden Begriffe und Formen visualisiert und emotional erfasst.
2. Erzählungen setzen Wörter in einen Kontext, der das Erinnern erleichtert.
3. Erzählungen helfen zu trainieren, die Bedeutung von Wörtern aus dem Kontext heraus und ohne notwendigerweise direkte Übersetzung zu erfassen.
4. In den Geschichten werden Grammatik und Syntax auf eine immersive Art und Weise vermittelt.
Auch hier unterstützen Kontext, Wiederholung und die eigene mündliche Reproduktion (Nacherzählen). Dies ermöglicht eine implizite Fehlerkorrektur. Die Komplexität von Erzählungen kann dem Niveau der Lernenden angepasst werden. Storytelling ist damit auf allen Niveaustufen und in allen Bildungsbereichen einsetzbar, eignet sich aber insbesondere ab einem Niveau B1 in der Schule oder Erwachsenenbildung. Die Lehrenden haben die Möglichkeit, alters- und niveaugerechte Themen zu wählen. Sie können ihre Schüler:innen mit einer vorbereitenden Wortschatzarbeit sowie unterschiedlichen Hilfsmitteln wie Illustrationen, Bewegungen, Mimik und Gestik in der Arbeit mit den Erzählungen unterstützen. Nach der sprachlichen Arbeit mit dem Textmaterial werden die Lernenden aufgefordert, eigene Erzählungen zu ähnlichen Themenbereichen zu teilen.
Nachgefragt bei Katina Klänhart und Jun.Prof. Dr. Nina Simon | 25.04.2023 |
„Nachhaltigkeit sollte auch im Unterricht nicht (mehr) auf die ökologische Dimension verengt werden“ | |
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Klimaneutral, recycelt, ohne Plastik – diese Versprechen kennzeichnen heutzutage viele Produkte. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Ist es auch, denn sogenanntes „Greenwashing“ ist nur eine der Gefahren, mit denen sich auch Schüler:innen im Kontext der Nachhaltigkeitsdebatte auseinandersetzen sollten. Im Unterricht sollen sie daher lernen, eine machtkritisch-reflexive Perspektive auf das Thema Nachhaltigkeit einzunehmen: Wo endet meine Handlungsfähigkeit? Wo geht es v. a. um die strukturelle und diskursive Ebene? Wo geht es um komplexe (global-)gesellschaftliche Zusammenhänge und somit immer auch um die soziale Dimension von Nachhaltigkeit? mehr … |
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Nun soll das Material aber nicht vornehmlich für den klassischen Vokabel- oder Grammatikteil des DaFZ-Unterrichts eingesetzt werden. Vielmehr ist das Ziel, BNE in den DaFZ-Unterricht zu tragen. Neben der Wortschatz- und Grammatikarbeit sollte der Fokus daher auf den Inhalt der Texte gelegt werden. Daran anschließend kann der Unterricht in eine auf die Thematik der Nachhaltigkeit ausgerichtete Diskussion übergehen. Das Material lädt beispielsweise dazu ein, sich über die Konsequenzen der dargestellten Mensch-Natur-Verhältnisse auszutauschen. Als Übung werden die Schüler:innen aufgefordert, eigene Erzählungen in der Klasse oder in Kleingruppen (Erzählkreisen) zu teilen. Insbesondere in solchen kleineren Erzählkreisen entstehen oft eine besondere Dynamik und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, die sich positiv auf den Lernprozess auswirken können.
Bei der Methode des indigenen Storytellings in Erzählkreisen geht es zunächst nicht um ein Kommentieren der Erzählungen. Es werden auch keine Ratschläge oder Kritiken von der Gruppe geäußert. Die von den Schüler:innen selbst produzierten Erzählungen sollten ohne Druck und auf dem individuellen Lernniveau vorgetragen werden dürfen. Die Texte des Lernmaterials oder die Erzählungen der Mitschüler:innen können als Inspiration dienen, so dass sich mit der Zeit ein Geflecht von Geschichten ergibt. Erst anschließend wird in der Gruppe darüber gesprochen, was die unterschiedlichen Geschichten gemeinsam hatten. Von der Lerngruppe können Fragestellungen aufgenommen und Sprechanlässe geschaffen werden:
- Wo fordert das Gelesene meine eigenen Perspektive heraus?
- Wo habe ich etwas Ähnliches erlebt?
- Wie sind meine eigenen Erfahrungen zu diesem Thema?
Sie sind neugierig, wie es weitergeht? Das Heft ist hier erhältlich.
Dr. Eva Ritter |
arbeitet als freiberufliche Dozentin im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung, Arktisexpertin und Storytelling-Forscherin mit dem Schwerpunkt Naturverständnis, Flensburg. Das Projekt Nordic Perspectives hat 2023 den Bildungspreis für Nachhaltigkeit in der Kategorie Newcomer gewonnen. |
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Fremdsprache Deutsch Heft 68 (2023): Nachhaltigkeit Themenheftherausgebende: Katina Klänhardt, Nina Simon Greta Thunberg machte es vor und weltweit tun es ihr Millionen Schüler:innen nach: Sie gehen freitags für mehr Nachhaltigkeit und eine zukunftsfähige Klimapolitik auf die Straßen und treten in den Schulstreik. Der Begriff der Nachhaltigkeit hat aber nicht erst seit dem ersten globalen Fridays for Future Klimastreik im März 2019 als Leitbild Einzug in die Bildungssysteme erhalten. Schon mit Beginn der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ wurde 2005 Nachhaltigkeit als Leitbild in sechs Bildungsbereichen verankert. Die Beiträge des vorliegenden Hefts fokussieren auf unterschiedliche Nachhaltigkeitsdimensionen und setzen sich insbesondere mit der Bearbeitung von ökologischen und sozialen Themen im Fremdsprachenunterricht auseinander. Das Heft gibt somit Einblicke nicht nur in die Komplexität des Nachhaltigkeitsdiskurses, sondern auch in Möglichkeiten, Aspekte daraus in unterrichtlichen Settings zum Beispiel anhand der themengebenden 17 Nachhaltigkeitsziele praktisch umzusetzen. Hierzu kommen u. a. Lehrende zu Wort, die einzelne Unterrichtsentwürfe, Materialien und Herangehensweisen erprobt und anschließend reflektiert haben. Die Beiträge zielen darauf ab, das Bewusstsein für verschiedene Zusammenhänge, in denen Nachhaltigkeit thematisiert werden kann, zu erweitern und dazu anzuregen, Vorgeschlagenes selbst auszuprobieren. |
Programmbereich: Deutsch als Fremdsprache