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Die meisten tödlichen Arbeitsunfälle passieren bei Transporttätigkeiten (Foto: trendobjects - stock.adobe.com)
BAuA-Erhebung

Tödliche Arbeitsunfälle – jeder fünfte Unfall ereignete sich bei Transporttätigkeiten

Tobias Bleyer und Isabell Bentz
14.02.2018
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) wertet regelmäßig Meldungen über tödliche Arbeitsunfälle aus. Kenntnis von diesen Arbeitsunfällen erhält sie durch die Arbeitsschutzbehörden der Länder. Seit dem Jahr 2009 wurden 1622 tödliche Arbeitsunfälle gemeldet. Der folgende Beitrag legt den Schwerpunkt auf die Frage, welche Tätigkeiten zum Unfall geführt haben. Im Beitrag werden die fünf häufigsten Tätigkeiten, die zum Unfall geführt haben, näher betrachtet.
Im  Erhebungsbogen  der  Bundesanstalt  für  Arbeitsschutz  und  Arbeitsmedizin  (BAuA)  für  tödliche  Arbeitsunfälle  (Version  1.10)  stehen  mit  Frage  16  („Welche  der  aufgeführten  Tätigkeiten hat zum Unfall geführt?“) typische Tätigkeitsfelder  der  verunfallten  Personen  oder  Anderer,  die zum  Unfall  geführt  haben,  zur  Auswahl:  Transport, Einrichten, Fertigung/Montage, Wartung und Inspektion, Störungsbeseitigung,  Instandsetzen, Demontage, Aufsicht/Kontrolle/Begehung, Verwaltungsarbeit, auf  dem  Weg  im  Betrieb, keine Tätigkeit bzw. Fremdeinwirkung (z. B. Explosion). Daneben   besteht   die   Möglichkeit sonstige Tätigkeiten anzugeben.

Die Auswertung von 1622 Erhebungsbögen zeigt, dass 334 tödliche Arbeitsunfälle auf die Tätigkeit „Transport“ zurückzuführen sind. Dabei waren allein in 56 Fällen Krane, in 36 Fällen Gabelstapler und 41­mal Baufahrzeuge, Radlader etc., in die Unfallereignisse involviert. Bei Tätigkeiten, die dem Feld „Fertigung/Montage“ zugeordnet werden können, wurden bei 252 tödlich verlaufenen Arbeitsunfällen insbesondere Abstürze (insgesamt 116) gemeldet. Es wurden 38 tödliche Absturzunfälle von Dächern und durch Lichtbänder im Zeitraum 2009 bis 2017 (Stand 03.11.2017) gemeldet. Bei 21 Absturzunfällen spielten Leitern eine Rolle, ebenso Stürze von hohen Maschinen, z.B. für die Produktion (20 Unfälle). Auch verzeichnete die BAuA bei Fertigungs­- und Montagetätigkeiten 37 tödliche Absturzunfälle von Gerüsten, Arbeitsbühnen oder sonstigen höher gelegenen Arbeitsplätzen.

Beim Tätigkeitsfeld „Störungsbeseitigung“ fielen vor allem Sondermaschinen, z.B. Drehmaschinen, ins Gewicht. Viele Verunfallte (127 Unfälle) waren mit der Störungsbeseitigung unmittelbar im Gefahrenbereich einer Maschine beschäftigt. In einigen Fällen hätte der Gefahrenbereich der Maschinen nicht betreten werden ürfen, in anderen Fällen setzte sich die Maschine, zum Teil durch Dritte verursacht, während der Störungsbeseitigung in Gang und verletzte die Verunfallten tödlich. 116 tödliche Arbeitsunfälle geschahen während Demontagetätigkeiten. Hier sind vor allem Dächer zu nennen, von denen die Verunfallten stürzten. Aber auch Gegenstände ohne direkten Produktbezug spielten eine wichtige Rolle: herabstürzende Bäume, einstürzende Decken bei Abbrucharbeiten an Gebäuden oder auch Stützwände, die sich lösten oder unkontrolliert bewegten. An fünfter Stelle rangieren Instandsetzungstätigkeiten. 101 tödliche Arbeitsunfälle waren in den letzten Jahren in diesem Tätigkeitsfeld zu verzeichnen. Meist handelte es sich um die Instandsetzung von oder auf Dächern. 14 Unfälle in Verbindung mit Leitern sind zu verzeichnen. Aber auch Baufahrzeuge waren involviert; beispielsweise wurden in elf Fällen beim Rückwärtsfahren andere Beschäftigte überfahren oder eingequetscht.

Die meisten Unfälle passieren auf Baustellen
Bekanntermaßen finden Montage­ und Demontagearbeiten üblicherweise auf Baustellen statt. 71% der an die BAuA gemeldeten, tödlich verlaufenen Arbeitsunfälle bei Fertigungs­- und Montagetätigkeiten ereigneten sich entsprechend auf ausgewiesenen Baustellen. Ebenso sind 68 % der Unfälle auf Tätigkeiten im Rahmen von Demontagearbeiten auf Baustellen zurückzuführen. Bei der Tätigkeit Störungsbeseitigung waren meist festinstallierte Maschinen innerhalb von Betrieben involviert. Entsprechend selten ereigneten sich Unfälle bei Störungsbeseitigungen auf Baustellen. Weit gefährlicher sind Transporttätigkeiten einzuschätzen, denn fast 30 % der gemeldeten Unfälle (94 von 329 Meldungen) fanden während eines Transportes auf einer Baustelle statt.

Ältere Beschäftigte am häufigsten betroffen
Es ist festzustellen, dass häufiger die sogenannten Routiniers, also Beschäftigte im Alter zwischen 50 und 59 Jahren mit mehreren Jahren Betriebszugehörigkeit, Opfer tödlicher Arbeitsunfälle wurden. 111 Verunfallte in dieser Altersklasse (etwa ein Drittel) kamen bei Transporttätigkeiten ums Leben. Zudem verunglückten weitere 12 Personen, die bereits über 67 Jahre alt waren, bei der Durchführung eines Transportes. Meist waren LKWs, Krane und selten Gabelstapler involviert. Bei Fertigungs­- und Montagearbeiten waren die häufigsten tödlichen Arbeitsunfälle in der Altersklasse 40 bis 49 Jahre zu verzeichnen (72 Unfälle). Die Auswertungen aller gemeldeten tödlichen Arbeitsunfälle zeigen, dass sich Unfälle während Störungsbeseitigungen überwiegend in den Altersklassen 40 bis 49 Jahre und 50 bis 59 Jahre ereigneten. Dies entspricht rund zwei Drittel der bei Störungsbeseitigungen tödlich verunfallten Personen. Über 66 % aller verunglückten Personen waren zudem länger als 3 Jahre im Unternehmen tätig.

Gefährdungsfaktoren
Vier ausgewählte Gefährdungsfaktoren herrschen zum Unfallzeitpunkt vor: Beschleunigung/Abbremsen, Annäherung an sich bewegende Teile, Herabfallende Gegenstände und Abstürzen. In der Kategorie Transport zeigte sich, dass häufig herabfallende Gegenstände, z. B. unzureichend gesicherte Lasten, und Annäherungen an sich bewegende Teile zum Tod führten. Unter den beteiligten Arbeitsmitteln finden sich beispielsweise Krane, von denen herabfallende Lasten Verunfallte tödlich verletzten. Häufigster Gefährdungsursprung bei Fertigungs­- und Montagearbeiten ist – wie bereits geschildert – das Abstürzen. Entweder unmittelbar von Gerüsten und Leitern oder durch Dächer, Deckenöffnungen und Lichtbänder. Bei der Störungsbeseitigung ergab sich ein anderes Bild. Viele der Verunfallten, die hauptsächlich an Sondermaschinen Störungen beseitigten, wurden in die Maschine eingezogen, zwischen bewegten Maschinenteilen eingequetscht oder durch anlaufende Maschinen tödlich verletzt.

Gefährdungsbeurteilungen
Die Basis für sicheres Arbeiten bildet die Gefährdungsbeurteilung. Sie ist daher das zentrale Element im betrieblichen Arbeitsschutz und für jeden Arbeitgeber – unabhängig von der Beschäftigtenzahl – nach § 6 ArbSchG verpflichtend. Die Auswertungen tödlicher Arbeitsunfälle zeigen, dass insbesondere ihre Aktualität und Vollständigkeit beim Unfallgeschehen eine Rolle spielen. So ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Beschäftigten regelmäßig über Gefahren am Arbeitsplatz zu informieren und den Risiken entsprechend zu unterweisen. Diese Unterweisung beinhaltet beispielsweise Informationen für die bestimmungsgemäße Benutzung von Arbeitsmitteln. Inhalt und Turnus der Unterweisungen werden in der Betriebsanweisung festgelegt; die Grundlage hierfür bildet wiederum die Gefährdungsbeurteilung. 

Bei den untersuchten tödlichen Arbeitsunfällen lagen beispielsweise im Tätigkeitsfeld „Transport“ in 236 Fällen Gefährdungsbeurteilungen vor, in 84 Fällen jedoch nicht. Von 81 Unfall­ereignissen ist bekannt, dass die Gefährdungsbeurteilungen zwar aktuell waren, jedoch wurde der Unfall zum Anlass genommen, eine weitere Aktualisierung vorzunehmen. Für insgesamt 224 von 309 Fällen gilt, dass das Unfallereignis zu einer Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung führte. Weitere 70 Beurteilungen mussten überarbeitet werden, weil sie nicht an die aktuellen Änderungen im Betrieb angepasst waren. 141 vollständigen Gefährdungsbeurteilungen stehen 90 unvollständige Gefährdungsbeurteilungen im Tätigkeitsfeld „Transport“ gegenüber. In drei Viertel der Unfälle aus den genannten Tätigkeitsfeldern wurde der tödliche Arbeitsunfall als Anlass zur Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung gesehen. Dies gilt besonders für den Bereich der Störungsbeseitigung, bei dem in 101 von 121 Fällen der Unfall als Anlass zur Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung gesehen wurde.

Persönliche Schutzausrüstung
Wenn technische und organisatorische Arbeitsschutzmaßnahmen keine ausreichende Sicherheit der Beschäftigten ermöglichen, müssen Unternehmen personenbezogene Schutzmaßnahmen (PSA) ergreifen. Bei ordnungsgemäßem Zustand und korrekter Anwendung kann PSA in vielen Fällen einen zusätzlichen Schutz bieten. Gleichzeitig tragen die arbeitenden Menschen nun aktiv und direkt zu ihrer Sicherheit bei. Dies entbindet den Arbeitgeber jedoch keinesfalls von seiner Fürsorgepflicht, wie die Untersuchung von 334 Transportunfällen zeigte. In 299 Fällen hätte nämlich auch Schutzausrüstung das Ausmaß der Unfallfolgen nicht mildern können. Bei Fertigungs­- und Montagetätigkeiten zeigte sich hinsichtlich des Einsatzes persönlicher Schutzausrüstung, dass vor allem Absturzsicherungen in 46 der 250 Unfälle das Ausmaß hätten mildern können. In weiteren 177 Fällen hätte auch hier Schutzausrüstung nicht ausgereicht, um die verunfallten Personen zu schützen. Beim Tätigkeitsfeld „Demontage“ hätten sich Maßnahmen zur Absturzsicherung in rund der Hälfte der erfassten Unfälle auf das Unfallgeschehen auswirken können. Bei Demontagearbeiten wurde die PSA in 26 Fällen vorgeschrieben, in 22 Fällen gestellt, in 20 Fällen jedoch nicht genutzt.

Arbeitsaufträge
Die Auswertungen des Unfallgeschehens zeigen, dass für die zum Unfall führenden Tätigkeiten nicht immer Arbeitsaufträge erteilt wurden. Es ist zudem festzustellen, dass die zum Unfall führende Tätigkeit in den genannten Feldern nicht zu den üblichen Tätigkeiten der Verunfallten gehörte. Diese Tatsache spielt beispielsweise bei Transportarbeiten und Fertigungs­- bzw. Montagearbeiten eine eher geringe Rolle: 50 von 308 Unfälle bei Transporten und 29 von 239 gemeldeten Unfällen bei der Montage und Fertigung. Ein anderes Bild zeigt sich jedoch bei den Tätigkeiten Störungsbeseitigung, Instandsetzung und Demontage. In der Hauptsache trifft dies auf diejenigen Unfälle zu, die sich während der Störungsbeseitigung ereigneten: bei rund 30% der Unfälle gehörte die Beseitigung von Störungen nicht zu den üblichen Tätigkeiten der Verunfallten. Bei Instandsetzungs­- und Demontagearbeiten trifft dies auf jeweils rund 24% der für diese Tätigkeitsfelder gemeldeten Unfälle zu.

Fazit
Um Unfälle zu vermeiden sind situationsgerechte und aktuelle Gefährdungsbeurteilungen unerlässlich. Nur durch sie können mögliche Gefahrenquellen im Unternehmen systematisch aufgedeckt und geeignete Maßnahmen getroffen werden, um die Gefährdungen zu beseitigen, zu mildern oder spezielle Beschäftigtengruppen zu schützen. Das Anfertigen und die korrekte Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung ist – mit Blick auf die hier vorgestellten Zahlen – von besonderer Wichtigkeit.
Auch die Nutzung Persönlicher Schutzausrüstung kann die Sicherheit der Beschäftigten in vielen Fällen erhöhen, jedoch ist sie bei einzelnen Tätigkeiten nicht das beste oder alleinige Mittel, um größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten. Insbesondere wenn große Kräfte und Lasten im Spiel sind oder das Arbeitsumfeld dynamisch ist, wie bei Montage­- und Demontagearbeiten oder Transporttätigkeiten, gewinnen andere Maßnahmen an Bedeutung.

Die BAuA wertet jährlich Meldungen über tödliche Arbeitsunfälle statistisch aus. Einzelheiten über die statistischen Auswertungen können der Internetseite der BAuA und den Informationen zur Produktsicherheit entnommen werden.

Die Autoren
Dr.-Ing. Tobias Bleyer ist Leiter der Fach­gruppe 2.1 – Grundsatzf­ragen der Produktsicherheit - bei der Bundesanstalt für Arbeits­schutz und Arbeitsmedizin in Dortmund.

Dipl.-Betriebswirtin Isabell Bentz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Fachgruppe 2.1 – Grundsatzfragen der Pro­duktsicherheit der BAuA.


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