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Luftkurorte und andere Gemeinden erheben häufig eine sog. Kurtaxe (Photo: CrazyCloud / Adobe Stock)
Neues aus der Rechtsprechung des EuGH

Umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch bei Kurtaxe?

ESV-Redaktion Steuern
15.08.2023
Viele Gemeinden erheben eine sog. Kurtaxe. Fraglich war, ob einer solchen ein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch zugrunde liegt. Mit dieser Frage beschäftigte sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens.

Luftkurort erhebt Kurtaxe

Die Gemeinde A ist ein staatlich anerkannter heilklimatischer Luftkurort. Ihre Kurverwaltung wird kommunalrechtlich als Eigenbetrieb geführt und ist in körperschaftsteuerrechtlicher Hinsicht ein Betrieb gewerblicher Art.

Zur Deckung ihres Aufwands für die Herstellung und Unterhaltung der zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten Einrichtungen und für die zu diesem Zweck durchgeführten Veranstaltungen erhebt die Gemeinde eine Kurtaxe. Kurtaxepflichtig sind ortsfremde Personen, die sich in der Gemeinde aufhalten und denen die Möglichkeit zur Benutzung der Einrichtungen und zur Teilnahme an den betreffenden Veranstaltungen geboten ist, aber auch Einwohner der Gemeinde, die den Schwerpunkt der Lebensbeziehungen in einer anderen Gemeinde haben, sowie ortsfremde Personen, die sich aus beruflichen Gründen zur Teilnahme an Tagungen oder sonstigen Veranstaltungen in der Gemeinde aufhalten (Kurtaxeschuldner).

Von Tagesgästen sowie von Ortsfremden oder Einwohnern, die in der Gemeinde arbeiten oder in Ausbildung stehen, wird hingegen keine Kurtaxe erhoben. Mit den so generierten Einnahmen finanzierte die Gemeinde in den Jahren 2009 bis 2012 die Herstellung, den Unterhalt und die Sanierung unter anderem von Kurpark, Kurhaus und Wegen. Diese Einrichtungen sind für alle frei zugänglich; eine Kurkarte wird zum Eintritt nicht benötigt.

Da die Gemeinde die Kurtaxe als Entgelt für eine umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit, nämlich den Kurbetrieb, ansah, machte sie den Abzug der für alle mit dem Fremdenverkehr zusammenhängenden Eingangsleistungen entrichteten Umsatzsteuer geltend. Dem folgte das Finanzamt nicht und ließ nur die Vorsteuerbeträge für das Kurhaus zu, soweit dieses entgeltlich verpachtet war. Sowohl Klage als auch Einspruchsverfahren waren erfolglos.

Der BFH hatte dann Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts und hat die Sache daher dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dabei wollte er vom EuGH wissen, ob die Kurtaxe als Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustauschs zu sehen ist und wenn ja, ob die Gemeinde aufgrund der Sonderregeln für juristische Personen des öffentlichen Rechts überhaupt als „Unternehmerin“ aufgetreten ist. Denn u.U. käme es zu keiner Wettbewerbsverzerrung, da in dem gleichen Gemeindegebiet kein privater Anbieter diese Kurleistungen erbringen durfte. Vor diesem Hintergrund stellte der BFH dem EuGH (hilfsweise) die Frage, wie hinsichtlich des Wettbewerbsbegriffs der räumlich relevante Markt zu bestimmen sei.

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Liegt ein Leistungsaustausch vor?

Nach Auffassung des EuGH setzt der Vorsteuerabzug voraus, dass die Erhebung der Kurtaxe unternehmerisch erfolgt, dass insbesondere eine Dienstleistung gegen Entgelt erbracht werde.

Es ist für den EuGH nicht ersichtlich, dass zwischen einer Gemeinde, die aufgrund einer kommunalen Satzung bei Besuchern, die sich in ihrem Gebiet aufhalten, eine Kurtaxe in Höhe eines bestimmten Betrags pro Aufenthaltstag erhebe und diesen Besuchern, die das Recht haben, die von dieser Gemeinde bereitgestellten Kureinrichtungen zu nutzen, die für jedermann, auch für nicht kurtaxepflichtige Personen, frei zugänglich sind, ein Rechtsverhältnis bestehe, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden. Vor allem hängt die Pflicht zur Entrichtung der Kurtaxe nicht von der Nutzung der von der Gemeinde bereitgestellten Kureinrichtungen durch die dieser Pflicht unterliegenden Personen, sondern vom Aufenthalt im Gemeindegebiet egal aus welchem Grund ab. So sind Besucher, die sich in der Gemeinde aufhalten, auch dann verpflichtet, dieses Entgelt zu entrichten, wenn sie sich aus einem anderen Grund dort aufhalten, wie beispielsweise dem Besuch von dort wohnenden Familienangehörigen oder Bekannten und nicht die Absicht hätten, die Kureinrichtungen zu nutzen.

Im Übrigen haben die Kurtaxeschuldner zwar die Möglichkeit, die Kureinrichtungen zu nutzen, doch seien diese Einrichtungen für alle, auch für Einwohner oder Tagesgäste, frei und unentgeltlich zugänglich, unabhängig davon, ob die betreffende Person zur Zahlung der Kurtaxe verpflichtet sei oder nicht. Somit hätten die Kurtaxeschuldner keine anderen Vorteile als Personen, die diese Kureinrichtungen benutzen und nicht kurtaxepflichtig sind.


Fundstelle: EuGH, Urteil vom 13. Juli 2023 – Rs. C-344/22 – A



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(ESV/cmx)

Programmbereich: Steuerrecht