Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

VG Dresden: Die Impfreihenfolge nach der CoronaImpfV ist eine Soll-Vorschrift – in Ausnahmefällen können die Impfzentren hiervon abweichen. (Foto: Robert Kneschke / stock.adobe.com)
Reihenfolge bei Corona-Impfungen und Ansprüche auf vorzeitige Impfung

VG Dresden und VG Frankfurt am Main: Corona-ImpfV erlaubt den Behörden Änderungen bei der Impfpriorität

ESV-Redaktion Recht
04.02.2021
Der Ansturm auf Corona-Impfungen ist riesig. Allerdings waren Personen mit eingeschränkten Lungenfunktionen oder Autoimmunerkrankungen nicht ausdrücklich in Priorisierungsstufe 1 der bis zum 7. Februar 2021 geltenden CoronaImpfV aufgeführt. Hiervon betroffene Personen in Dresden und Frankfurt am Main empfanden dies als ungerecht. Sie zogen vor die Verwaltungsgerichte in ihren jeweiligen Städten – und erzielten wichtige Etappensiege.

VG Dresden: Freistaat Sachsen kann bei Corona-Impfung in Ausnahmefällen zur höheren Priorisierung von Personen verpflichtet sein

Der Freistaat Sachsen muss einer Frau, die unter einer sehr seltenen Schwäche der Atemmuskulatur leidet, die höchste Priorität bei der Corona-Schutzimpfung einräumen. Dies hat das VG Dresden aktuell entschieden.

In dem Streitfall leidet die 35-jährige Antragstellerin unter einer ausgeprägten Schwäche der Atemmuskulatur. Sie kann sich nur mit einem elektrischen Rollstuhl fortbewegen. Einem ärztlichen Attest zufolge hätte eine Infektion mit Corona bei ihr einen schweren Krankheitsverlauf mit der Notwendigkeit der Beatmung zur Folge. Wegen verschiedener Autoimmunerkrankungen wird bei ihr zudem eine aggressive immunsuprimierende Therapie angewendet. Die Antragstellerin lebt zu Hause und erhält Leistungen nach Pflegegrad 5 mit einer 24 Stunden-Intensivpflege. Sie lebt von ihrem Ehemann getrennt, der beruflich viele Personenkontakte hat. Die drei gemeinsamen Kinder werden abwechselnd von den Eltern betreut. Im Rahmen einer telefonischen Anfrage beim zuständigen Impfzentrum legte sie ihre besondere persönliche Situation dar und bat eine höhere Impfpriorisierung.

Impfzentrum: Antragstellerin hat lediglich Prioritätsgrad 3

Nach Auskunft des Impfzentrums war dies nicht möglich. Demnach konnte sie aufgrund ihrer Autoimmunerkrankung lediglich in den 3. Prioritätsgrad eingestuft werden. Hiergegen wendete sich die Antragstellerin mit einem Eilantrag an das VG Dresden.

VG Dresden: Antragstellerin hat höchste Impfpriorität

Das VG Dresden folgte der Ansicht des Impfzentrums nicht. Demnach muss der Freistaat Sachsen als Träger des Impfzentrums der Antragstellerin die höchste Priorität für eine Schutzimpfung gegen Corona zuweisen. Dies begründeten die Richter aus Dresden im Wesentlichen wie folgt:

  • Einordnung in Prioritätsgrad 3 grundsätzlich zulässig: Auch dürfen wegen der knappen Vakzine und des hohen Impfbedarfs Priorisierungen vorgenommen werden. Ebenso gehöre die Antragstellerin auch grundsätzlich zur Personengruppe mit der drittgrößten Impfpriorität.
  • Aber – Abweichungen möglich: Die Corona-Schutzverordnung gibt die Impfreihenfolge jedoch nur als Soll-Vorschrift vor. In Ausnahmefällen ist daher auch ein Abweichen hiervon möglich.
  • Höchste Priorisierung aufgrund aller Lebensumstände geboten: Eine solche Ausnahme ist nach Auffassung des Gerichts auch gegeben. Grundlage für die Priorisierung ist nämlich nicht allein die Autoimmunerkrankung der Antragstellerin. Vielmehr muss ihre gesamte Lebenssituation berücksichtigt werden. Demnach ist sie aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit und wegen ihren Kindern vielen auch mittelbaren Kontakten ausgesetzt, was ihr Infektionsrisiko weiter erhöht.  
  • Höhere Priorisierung führt noch nicht zur Sofortimpfung: Allein die höhere Priorisierung führt aber noch nicht dazu, dass die Antragstellerin sofort zu impfen wäre. Innerhalb der jeweiligen Gruppierungen hat der Antragsgegner ein Ermessen in welcher Reihenfolge er impft. Bleibt allerdings Impfstoff übrig, muss das Impfzentrum jedoch vorrangig Personen aus der betreffenden Prioritätsstufe impfen. In dem Streitfall wäre dies die höchste Prioritätsstufe.
Quelle: PM des VG Dresden vom 29.1.2021zum Beschluss vom selben Tag – 6 L 42/21
 
Der kostenlose Newsletter Recht – Hier können Sie sich anmelden! 
Redaktionelle Meldungen zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps.


VG Frankfurt am Main: Schwerbehinderter kann bei Corona-Impfung zu priorisieren sein

Nach einem aktuellen Beschluss des VG Frankfurt muss die Stadt Frankfurt am Main einen zu 100 Prozent schwerstbehinderten Antragsteller bei der nächsten Lieferung von Corona-Impfstoffen vorrangig berücksichtigen und ihm ein Impfangebot machen.

Der Antragsteller lebt mit Pflegegrad 5 in häuslicher Pflege und ist unterhalb des Halswirbels gelähmt. Die Lähmungen schränken auch seine Lungenfunktionen ein. Nach der von ihm vorgelegten ärztlichen Bescheinigung wäre er im Falle einer Corona-Erkrankung mit Sicherheit zu beatmen. Damit gehört er auch zur Gruppe der Hochrisikopatienten.

Behörden erklären sich für unzuständig

Mit diesen Informationen hat der Antragsteller das Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt am Main und das Hessische Ministerium für Soziales und Integration darum gebeten, ihm einen Termin für die jetzige Impfung zu geben. Beide Behörden erklärten sich allerdings für unzuständig. Daher hat der Antragsteller mit zwei Eilanträgen vor dem VG Frankfurt am Main um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Seine Anträge richteten sich einmal gegen das Land Hessen und einmal gegen die Stadt Frankfurt am Main.

VG Frankfurt bewilligt Prozesskostenhilfe für beide Verfahren

Wegen der unklaren Zuständigkeitsregelung hat das VG Frankfurt dem Antragsteller in beiden Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt. Die allgemeine infektionsschutzrechtliche Zuständigkeit hat das Gericht dann bei der Stadt Frankfurt am Main gesehen.

Gesundheitsamt hat sein Ermessen nicht ausgeübt

Sodann hatten die Frankfurter Richter Bedenken, als sie den Personenkreis mit höchster Priorität im Sinne von § 1 der CoronaImpfV mit den Personen verglich, die in häuslicher Pflege und/oder mit eingeschränkter Lungenfunktion leben. Demnach ist es nicht ausreichend, wenn zwar das Pflegepersonal des Antragstellers, er aber nicht dieser selbst geimpft wird.

Etappensieg für Antragsteller: Behörde muss über Priorisierung neu entscheiden

Zudem, so das VG weiter, eröffnet die „Soll-Vorschrift“ von § 1 Abs. 2 CoronaImpfV den zuständigen Behörden in atypischen Fällen ein Ermessen. Daraus folgt, dass die Behörde das vorgelegte ärztliche Attest eigenständig einordnen muss. Hierbei muss das Gesundheitsamt auch alle Erkenntnisse und Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut und über die epidemiologische Lage berücksichtigen. Entscheidet die Behörde neu, wäre wohl zu erwarten, daas der Antragsteller priorisiert wird. Die Behörde kann allerdings auch noch die nächste Instanz anrufen.  

Quelle: PM des VG Frankfurt vom 29.1.2021 zu den Beschlüssen vom selben Tag – L 182/21.F, 5 L 179/21.F

Dennoch - Rechtslage nicht eindeutig

Trotz dieser beiden Entscheidungen ist die Rechtslage nicht eindeutig. Die Antragsgegner können jeweils noch die nächste Instanz anrufen. Zudem hatten Eilanträge auf vorgezogene Impfung gegen Corona in vergleichbaren Fällen vor dem LSG Niedersachsen-Bremen und dem VG Berlin keinen Erfolg:

Eilanträge auf vorgezogene Impfung gegen Corona vor LSG Niedersachsen-Bremen und VG Berlin erfolglos

Nachdem die Verwaltungsgerichte in Frankfurt am Main und Dresden Ansprüche auf vorzeitige Impfungen gegen Corona nicht ausschließen, haben das LSG Niedersachsen-Bremen und das VG Berlin entsprechende Eilanträge abgelehnt. Die Antragsteller wollten erreichen, sofort gegen Corona geimpft zu werden oder eine bessere Priorisierung nach der CoronaImpfV zu erhalten. mehr …

 
Rechtsprechungsübersicht 05.04.2021
Mehr Gerichtsentscheidungen rund um Corona

Die Corona-Krise betrifft fast alle Lebensbereiche. Dementsprechend haben Gesetzgeber und Behörden reagiert und existenzielle Bürgerrechte  eingeschränkt. Dies blieb nicht unumstritten und führte zu zahlreichen Gerichtsverfahren, die oft in Eilverfahren entscheiden wurden. Eine Auswahl von Entscheidungen, über die wir berichtet haben, können Sie unserer laufend aktualisierten Zusammenstellung entnehmen. mehr …


Das Fundament unserer Rechtsordnung

Berliner Kommentar zum Grundgesetz

Der Kommentar analysiert dogmatisch fundiert und kritisch reflektierend. Er arbeitet heraus, wie sich die einzelnen Bestimmungen auf das einfache Recht und die praktische Rechtsarbeit auswirken.

Bei den einzelnen Erläuterungen folgt das Werk einem einheitlichen Gliederungsraster und bietet dem Leser neben der Kommentierung folgende Themen:

  • Wirkung der Verfassungsbestimmungen auf die einfache Rechtsordnung
  • Entwicklungslinien der Verfassungsbestimmungen und deren dogmatische Aspekte
  • Die gemeinschaftsrechtlichen und internationalrechtlichen Bezüge 
  • Eine Auflistung der einschlägigen Leitentscheidungen
Verlagsprogramm  Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht 

(ESV/bp)

Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht