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Abgeltungsteuer oder Teileinkünfteverfahren? Was bedeutet die Option? (Foto: blende11.photo / stock.adobe.com)
Neues aus der Rechtsprechung des BFH

Vorliegen der Antragsvoraussetzungen bei der Option zum Teileinkünfteverfahren

ESV-Redaktion Steuern
05.04.2024
Nach einer wirksamen erstmaligen Antragstellung ist das Vorliegen der materiell-rechtlichen Antragsvoraussetzungen gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a und b EStG in den folgenden vier Veranlagungszeiträumen vom Finanzamt zu unterstellen. Diese müssen nur für das erste Antragsjahr vorliegen. Aber was passiert, wenn diese Voraussetzungen in den nächsten Jahren wegfallen? Darüber hatte der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil zu entscheiden.

Option zur Veranlagung nach tariflicher Einkommensbesteuerung

Der Kläger war bereits seit mehreren Jahren an einer inländischen GmbH zu 12,5 % beteiligt, bis Ende 2011 war er als Geschäftsführer und anschließend als Arbeitnehmer tätig. In seiner Einkommensteuererklärung 2013 beantragte er erstmals nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG die Versteuerung seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen, die er von der GmbH im Veranlagungszeitraum 2013 bezogen hatte, nach der tariflichen Einkommensteuer (§ 32a EStG).

Das Finanzamt gab dem Antrag statt und veranlagte den Kläger entsprechend (Hinweis: bis einschließlich VZ 2016 war für die Ausübung des Wahlrechts eine Mindestbeteiligung von 1 % und eine berufliche Betätigung für die GmbH ausreichend; seit dem VZ 2017 ist weitere Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige   neben der Beteiligung durch seine berufliche Tätigkeit maßgeblichen unternehmerischen Einfluss auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Kapitalgesellschaft nehmen kann).

Allerdings wandte das Finanzamt in den Einkommensteuerveranlagungen für 2014 und 2015 den gesonderten Einkommensteuertarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG (Abgeltungsteuertarif) auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen an, die der Kläger von der GmbH bezogen hatte, weil der Kläger seine Tätigkeit für die GmbH zum 31. März 2013 beendet hatte.

Das Finanzamt war der Auffassung, dass die Voraussetzungen des Wahlrechts nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG in jedem Veranlagungszeitraum erneut zu prüfen seien. Dass die Antragsvoraussetzungen gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG in den folgenden vier VZ nach der ersten Antragstellung nicht erneut zu belegen seien, bedeute nicht, dass sie nicht vorliegen müssten.

Die Klage hiergegen vor dem Finanzgericht Köln war erfolgreich.

Vorliegen der Voraussetzungen für das Teileinkünfteverfahren ist zu unterstellen

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Das Finanzgericht hat daher zutreffend entschieden, dass aufgrund der wirksamen erstmaligen Antragstellung des Klägers für den Veranlagungszeitraum 2013 gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Hs. 2 EStG das Vorliegen der Voraussetzungen für die Option zum Teileinkünfteverfahren in den Streitjahren zu unterstellen ist.

Der Gesetzeswortlaut lässt darüber hinaus einerseits den Schluss zu, dass die Antragsvoraussetzungen für den fortgeltenden Antrag in den Folgejahren vom Antragsteller zwar nicht erneut (aktiv) zu belegen sind, die Wahl des Teileinkünfteverfahrens aber nicht zulässig ist, wenn die Antragsvoraussetzungen nach dem Jahr der Antragstellung entfallen. Sofern feststünde, dass die Antragsvoraussetzungen entfallen sind, hätte das Finanzamt die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens für die Ausschüttung im Rahmen der Veranlagung zu versagen (so BMF vom 19.5.2022, BStBl I 2022, 742, Tz. 139).

Andererseits lässt aber der Gesetzeswortlaut auch den Schluss zu, dass die wirksame Antragstellung des Erstjahres für die folgenden vier Veranlagungszeiträume in dem Sinne fortgilt, dass die materiell-rechtlichen Antragsvoraussetzungen nur bei der erstmaligen Antragstellung vorhanden sein müssen und zu belegen sind, ihr Vorliegen in den folgenden vier Veranlagungszeiträumen aber vom Finanzamt zu unterstellen ist.

So versteht auch der Senat die Regelung in § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Hs. 2 EStG. Nach einer wirksamen erstmaligen Antragstellung ist in den folgenden vier Veranlagungszeiträumen das Vorliegen der materiell-rechtlichen Antragsvoraussetzungen gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a und b EStG vom Finanzamt zu unterstellen. Diese Voraussetzungen müssen nur für das erste Antragsjahr vorliegen; ihr Wegfall in den folgenden vier Veranlagungszeiträumen ist unerheblich.

Auch die Gesetzesmaterialien sprechen für diese Auslegung. Im Bericht des Finanzausschusses (BTDrucks 16/7036, S. 14) heißt es: „Der Antrag "gilt grundsätzlich als für fünf Veranlagungszeiträume gestellt. Dabei wird fingiert, dass die Voraussetzungen für eine Option während dieses gesamten Zeitraums erfüllt sind. Erst nach Ablauf von fünf Veranlagungszeiträumen sind ein erneuter Antrag und eine Darlegung der Antragsvoraussetzungen erforderlich. Diese Regelung dient der Verfahrensvereinfachung sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für die Finanzverwaltung.“

Der Wille des Gesetzgebers, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Option zum Teileinkünfteverfahren in den Folgejahren zum Jahr der wirksamen Antragstellung zu unterstellen sind, kommt im Wortlaut des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG hinreichend zum Ausdruck, da der Antrag für die folgenden vier Veranlagungszeiträume gilt, ohne dass die Antragsvoraussetzungen erneut zu belegen sind. Dies ergibt sich auch aus dem Sinnzusammenhang, in den § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG innerhalb des Gesetzes gestellt ist. Diese Auslegung des Senats wird auch im Schrifttum im Ergebnis weit überwiegend geteilt. 

Fundstelle: BFH, Urteil vom 12. Dezember 2023 (VIII R 2/21), veröffentlicht am 28. März 2024

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(ESV/cmx)

Programmbereich: Steuerrecht