Warum das VG Aachen das Demo-Verbot am Hambacher Forst gekippt hat
Polizeipräsidium Aachen: Kein Sicherheitskonzept
Das Polizeipräsidium Aachen hatte die Demo wegen Sicherheitsbedenken von kommunalen Sicherheitsbehörden untersagt. So habe für die Demo kein Sicherheitskonzept vorgelegt, argumentierte das Präsidium.Hiergegen wendete sich der Verein mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht (VG) Aachen.
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VG Aachen: Verbot der Demonstration nur letztes Mittel
Das VG Aachen teilte die Bedenken der Polizei nicht. Die Aachener Richter haben dem Eilantrag des Vereins stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verbotsverfügung des Polizeipräsidiums angeordnet. Dem Richterspruch zufolge sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das Verbot der Demonstration rechtswidrig ist. Hierbei stützte sich das VG auf folgende Überlegungen:- Sicherheitskonzept nicht zwingend: Bei einer Versammlung nach Art. 8 GG ist muss nicht zwingend ein valides Sicherheitskonzept vorliegen.
- Aber – Kooperationsgespräch: Etwaige Sicherheitsbedenken sind vielmehr im Rahmen eines Kooperationsgesprächs zu erörtern.
- Ggf. Auflagen zur Sicherheit: Eventuellen Sicherheitsrisiken ist durch geeignete Auflagen zu begegnen.
- Verbot nur ultima ratio: Erst dann, wenn trotz Auflagen eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben z.B. von Versammlungsteilnehmern bestehen würde, kommt den Aachener Richtern zufolge ein Verbot der Versammlung in Betracht – und zwar als äußerstes Mittel. Solche erhebliche Gefahren können sich zum Beispiel aus dem Ablauf der Versammlung, den örtlichen Gegebenheiten oder aus den Besonderheiten des An- und Abreiseverkehrs ergeben.
- Auflagen ausreichend: Dem VG zufolge konnte aber den Sicherheitsbedenken – die vor allem aus der An- und Abreise über die Bahnhöfe Buir und Horrem sowie in der Freihaltung von Rettungswegen lagen – durch Auflagen begegnet werden.
- Gefahrloser Waldspaziergang am 30.09.2018: Dabei hat das VG zum einen berücksichtigt, dass schon am 30.09.2018 ein sogenannter Waldspaziergang mit etwa 10.000 Teilnehmern ohne besondere Gefahren für An- und Abreise der Teilnehmer stattgefunden hatte. So sollten die Demoteilnehmer überwiegend mit S-Bahn, Regionalexpress über die Bahnhöfe Buir und Horrem und mit gecharterten Bussen anreisen.
- Kanalisierung der Demoteilnehmer: Diese Besonderheit führte nach Überzeugung des Gerichts zu einer „Kanalisierung“ und Begrenzung der Versammlungsteilnehmer. Hierdurch wiederum würde die Lenkung der Menschenmengen unter Sicherheitsaspekten – ähnlich wie bei gewerblichen Großveranstaltungen (Fußballspiele, Oktoberfest) – erleichtert.
- Gerichtsbeschluss verbietet keine weiteren Auflagen: Darüber hinaus wies das VG darauf hin, dass die Polizei auch während der Versammlung trotz des Beschlusses noch Auflagen erteilen kann, die noch bestehende Sicherheitsbedenken entschärfen.
Versammlungsrecht in der PraxisAutor: Matthias Hettich, langjähriger Richter am VGH Baden-Württemberg Topaktuell und lösungsorientiert: Mit seinem Werk liefert Matthias Hettich eine systematische Gesamtdarstellung des Versammlungsrechts einschließlich seiner verfassungsrechtlichen und verwaltungsprozessualen Bezüge.
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(ESV/bp)
Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht