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Die virtuelle Kamera ist die einzige Lösung, die echten, natürlichen und somit auch authentischen Blickkontakt herstellt. (Foto: Casablanca.AI GmbH)
Im Gespräch mit Markus Vollmer, COO und Co-Founder der Casablanca.AI GmbH.

Wie sich KI der Zoom-Fatigue entgegenstellt

ESV-Redaktion Arbeitsschutz
09.01.2025
Mit ihrer selbst entwickelten künstlichen Intelligenz ermöglicht das 2020 gegründete Unternehmen Casablanca.AI GmbH aus Pforzheim authentische Videocalls. Als „virtuelle Kamera“ funktioniert das Produkt mit allen gängigen Videokonferenzangeboten. Dabei erzeugt es rein softwarebasiert in Echtzeit realen Blickkontakt in digitalen Meetings und stellt so ein „natürliches sowie direktes Gesprächserlebnis“ her.
Herr Vollmer, wie hat sich die digitale Kommunikation seit Beginn der Corona-Pandemie verändert und wie hat sich dadurch die „Zoom-Fatigue“ entwickelt?

Durch die Corona-Pandemie kam es zu plötzlichen und drastischen Veränderungen. Physische Meetings wurden durch gesetzliche Regelungen und Vorgaben quasi unmöglich. Wenngleich die Hürden für hybrides beziehungsweise mobiles Arbeiten schnell und pragmatisch reduziert und sogar entsprechende Fördermaßnahmen für Arbeitgeber und Arbeitnehmende begünstigt wurden, war die Wirtschaft nur unzureichend vorbereitet. So nahm die Wirtschaftsleistung dramatisch ab und bis heute hat sie sich nicht vollständig erholt. Insbesondere in den dienstleistungsstarken Ländern lässt sich dies auf das deutlich schlechte Zusammenwirken der dort bestehenden kritischen Wertschöpfungsfaktoren – also die Kollaboration zwischen Menschen – zurückführen. Dafür wesentlich sind vor allem die wachsende Zunahme von unproduktiver, asynchroner Kommunikation in Form von fehlender Parasprache und die Steigerung der unvollständigen, missverständlichen Informationsermittlung der synchronen Kommunikation, beispielsweise durch fehlende Mimik und Gestik. Um sich diesen Missständen entgegenzustellen, versuchen Arbeitgeber und auch motivierte Arbeitnehmende mittels mehr oder minder geeigneter Werkzeuge die Produktivität zu erhöhen. Logischerweise handelt es sich daher bei Lösungen im Bereich der Aufgabenorganisation, z. B. Asana oder ClickUp, um eine der wenigen Branchen, die im Zeitraum der Pandemie ein massives Wachstum verzeichnen konnten.
Die fehlende Effektivität auszugleichen, war aus der Sicht vieler Unternehmen scheinbar relativ einfach, indem sie Laptops anschafften und Videokonferenzsysteme für die Beschäftigten einrichteten, wodurch Anbieter aus dem Bereich der Videocall-Technologie wie Zoom oder Alfaview massiv profitiert haben. Leider handelte es sich bei der vermeintlich leichten Lösung um einen Trugschluss, wie heute langsam auffällt: Technisch bedingt sind Videokonferenzen deutlich anstrengender und ineffektiver als physische Meetings. Nutzerinnen und Nutzer zeigen ein unnatürlicheres Verhalten. Schnell kommt es dazu, dass sie krampfhaft in die Kamera starren, die Körperhaltung ist zudem oft nicht ergonomisch. Viele treffen aufgrund des immer noch fehlenden gegenseitigen Blickkontakts zudem nach wie vor falsche Entscheidungen. Durch das Zusammenspiel dieser Ursachen steigen der Stress und der Reizpegel massiv an, was sich selbstverständlich auch auf die Effizienz des Unternehmens und der Beschäftigten auswirkt. Diese Symptome und die zugrunde liegenden Ursachen beschreiben Wissenschaftler mit dem Begriff „Zoom-Fatigue“.

Können Sie die Symptome von Zoom-Fatigue näher beschreiben? Welche schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen können daraus resultieren?

Die Palette an Symptomen ist breit gefächert. Dazu zählen unter anderem eine stetige Reduktion der Konzentration, wachsende Fahrigkeit, vermehrte Ungeduld, erhöhte Reizbarkeit und fehlende Balance. Auch im sozialen Miteinander kommt es zu Auswirkungen in Form von unwirschem Agieren gegenüber Mitmenschen und manche Personen fühlen sich zunehmend genervt. Zudem treten körperliche Beschwerden wie Kopf-, Rücken-, Glieder- oder Magenschmerzen sowie Schlaf- und Sehstörungen auf.
Die psychischen Symptome sind zum großen Teil dieselben wie bei einer Depression. Da die Ursache im Arbeitsumfeld liegt, besteht schnell die Gefahr, Zoom-Fatigue mit dem Burnout-Syndrom, einer möglichen Zusatzdiagnose einer Depression, zu verwechseln. Bisher gibt es noch keine Untersuchungen, ob sich eine Depression aus Zoom-Fatigue entwickeln kann. Sollte dies der Fall sein, wären die Folgen selbstverständlich dramatisch.
Die Symptome lassen sich auch sehr gut mit denen vergleichen, die durch mangelnde Arbeitsplatzergonomie und dauerhafte Fehlhaltungen entstehen – sie erweisen sich als schmerzhaft und führen bei dauerhafter Belastung der Betroffenen zu zusätzlichem psychischem Stress. Es bleibt essenziell, den eigenen Zustand als Warnzeichen wahrzunehmen. Zudem steht der Arbeitgeber in der Verantwortung, entsprechende Vorkehrungen zum Schutz der Beschäftigten zu treffen.
Um dem Phänomen Zoom-Fatigue genauer auf den Grund zu gehen, haben die Stanford University, die Universität Göteborg und das Institut für Beschäftigung und Employability umfangreiche Studien angestoßen. Zudem befasst sich das Karlsruher Institute of Technology bereits mit den negativen Auswirkungen von Videocalls, beispielsweise fehlendem Blickkontakt und Zoom-Fatigue.

Inwiefern unterscheiden sich die Belastungen bei Videokonferenzen von denen persönlicher Treffen?

Im Wesentlichen lässt sich die Belastung auf eine geringere Bewegung, unnatürliche Haltung und eine fehlende „Resonanz“, wie es beispielsweise Sören Flimm (Keynote-Speaker, Resonanztrainer, Autor, Anm. d. Red.) zusammenfasst, zurückführen. So kommunizieren Nutzerinnen und Nutzer eigentlich mit ihrem Bildschirm; und wenn man der Einschätzung von Beratern und Coaches folgt, nur mit der Kamera, nicht mit der Person am anderen Ende des Videocalls. Dies widerspricht massiv den Leitfäden für ergonomische Bildschirmarbeit und befeuert die Zoom-Fatigue.

Wie wirkt sich der fehlende Blickkontakt bei Videokonferenzen auf die zwischenmenschliche Kommunikation aus?

Hier gilt es, sich die Situation anhand eines einfachen Beispiels bildlich vorzustellen. Bei einem klassischen Dialog zwischen zwei Personen (A und B) gibt es in der Regel zwei beziehungsweise drei Szenarien.
Im Ersten blicken beide Personen auf den Bildschirm. Das Ergebnis ist kein echter Blickkontakt. Somit können A und B nonverbale Signale des Gegenübers nur schwer bis gar nicht erkennen und es kommt schnell zu Missinterpretationen. So besteht die Möglichkeit, dass eine Seite das Gefühl entwickelt, dass die andere Seite nicht zuhört, müde ist oder abwesend erscheint. In einem solchen Fall kann der Informationsverlust noch stärker als bei einem klassischen Telefonat sein. Denn: Nach dem Eisberg-Modell von Sigmund Freud mit seiner 20/80-Verteilung in Bezug auf die Sach- und die Beziehungsebene findet Kommunikation zu 80 Prozent nonverbal statt.
Im zweiten Szenario blickt Person A in die Kamera, während Person B auf den Bildschirm schaut. Wenn dieser Fall auftritt, erlebt B ein Gefühl des „unnatürlichen“ Blickkontakts, während A je nach der Positionierung der Kamera entweder den Kopf nach vorn oder nach hinten neigen muss. Dies führt entweder zu einem unvorteilhaften Doppelkinn oder zu einem „Arroganzeffekt“. Geübte beziehungsweise trainierte Personen können in der Rolle von A diese Effekte durch die Anpassung der eigenen Arbeitsumgebung kompensieren und so möglicherweise eine positive und überzeugende Wirkung bei B erzielen. Allerdings hat Person B dann trotzdem nicht die Chance, die Reaktion von Person A zu erkennen und auf diese auch dementsprechend einzugehen. Somit beruht der Erfolg der Konversation im Prinzip nur auf einer Art Glücksspiel, was die Beziehung zwischen beiden Personen schnell belasten kann.
In einer möglichen dritten Situation schauen Person A und Person B in die Kamera. Das Ergebnis ist die komplette Abwesenheit von Blickkontakt, und grundsätzlich ähnelt dieses Szenario eher einem Telefonat. In diesem Fall geht ein großer Teil der zu übertragenden Informationen einfach verloren, wie Freud schon festgehalten hat.

Welche Lösungen gibt es, um den Herausforderungen der Zoom-Fatigue entgegenzuwirken?

Vor allem die physischen Symptome lassen sich durch häufigere kleine Pausen, die Änderung der allgemeinen Arbeitsplatzgestaltung oder auch der derzeitigen Arbeitszeitorganisation stark reduzieren. Letzteres bezieht sich beispielsweise auf das Vermeiden von mehreren direkt aufeinanderfolgenden Videocalls. Die Herausforderungen in Bezug auf die Produktivität, die Effektivität und die sinkende Effizienz, welche zu wachsenden psychischen, aber auch wirtschaftlichen Folgen führen, lassen sich nur technisch lösen.
In diesem Zusammenhang kommt auch dem Gesetzgeber eine entscheidende Rolle zu, denn dieser muss die neue Realität der Bildschirmarbeit in den bestehenden Regelungen berücksichtigen und die Umsetzung anhaltend unterstützen.

Wie kann künstliche Intelligenz helfen, natürlichen Blickkontakt in virtuellen Umgebungen herzustellen?

Technische Lösungen können selbstverständlich grundsätzlich aus klassischer Hardware in Form von Bildschirmkameras oder auch Spiegelinstallationen, aus hybriden Produkten wie beispielsweise Eyetracking oder einer innovativen Software bestehen. Letztere erweist sich in der Regel als die ressourcenschonendste und flexibelste Lösung. Dabei benötigt eine solche Software den Einsatz von künstlicher Intelligenz.

Worum geht es bei Casablanca.AI und wie funktioniert es?

Durch unsere KI-basierte Software erzeugen wir digitalen Blickkontakt in Echtzeit und sorgen somit für ein natürliches Gesprächserlebnis. Rein softwarebasiert verschiebt Casablanca die Kameraperspektive hinter die Augen des jeweiligen Gesprächspartners. Dabei bleiben Mimik und Gestik der Nutzenden komplett natürlich und realistisch. Grundsätzlich ist Casablanca eine Business Necessity, also absolute Standardsoftware für alle Unternehmen.

Was ist das Besondere an der von Casablanca.AI entwickelten „virtuellen Kamera“?

Diese „virtuelle Kamera“ ist die einzige Lösung, die echten, natürlichen und somit auch authentischen Blickkontakt herstellt, da die Software sowohl den Winkel der Kopfhaltung als auch den Winkel der Augenrichtung zur Kamera auflöst. Diese Winkelkorrektur findet jedoch nur statt, wenn die Augen und der Kopf auf den Bildschirm gerichtet sind. Während die Augen selbstverständlich wichtig sind, haben sie jedoch nur einen gewissen Anteil an der nonverbalen Kommunikation. Aus diesem Grund ist die Übersetzung eines der wichtigsten Filmzitate auch nicht nur überholt, sondern an sich sogar fehlerhaft. „Here‘s looking at you, kid“ meint ‚Schau mich an‘ und nicht ‚Schau mir in die Augen, Kleines‘. Zudem heißt es auch nicht „Augen sagen mehr als Worte“ – es handelt sich vielmehr um den Blick, der oft mehr sagt als Worte. Und echten Blickkontakt in der digitalen Welt gibt es nur mit Casablanca.

Ist Ihre KI mit allen gängigen Videokonferenz-Tools kompatibel und wie kompliziert ist die Implementierung?

Ja, wir haben Casablanca mit mehr als 30 verschiedenen Videokonferenz-Tools getestet. Da die Software wie ein Kameratreiber funktioniert, lässt sich Casablanca auch als ein solcher installieren und wird im Konferenztool wie eine Kamera erkannt – also recht einfach in der Bedienung.

Haben Sie bereits Pläne für die Weiterentwicklung von Casablanca oder schon die nächste KI-Lösung in Arbeit?

Wir stehen kurz davor, unsere derzeit kostenfreie Verbraucherversion um eine professionelle Version für die kommerzielle Nutzung zu ergänzen. Zukünftig werden wir unsere eigens entwickelten Technologien dazu nutzen, Videocalls zwischen Menschen gesünder, effektiver und auch einfacher zu gestalten. Es geht nämlich besser bei einem Gespräch auf AUGENhöhe.
                                                                                                                
Herr Vollmer, vielen Dank für das Gespräch!


Über Markus Vollmer
Markus Vollmer ist seit 2022 COO des Pforzheimer KI-Start-ups Casablanca.AI GmbH. Nach Masterabschlüssen in den Bereichen General Management und International Business Management in Stuttgart sowie Edinburgh widmete er sich Tätigkeiten in der Finanzbranche – unter anderem für die Deutsche Bank und die Börse Stuttgart Holding. Zudem gab er sein Fachwissen als Hochschul-Dozent in Stuttgart weiter. Seine Expertise zur Portfolio-Optimierung wurde in Form eines Fachbuchs der Reihe „Best Masters“ von SpringerGabler veröffentlicht. Seit über einer Dekade verantwortet Markus Vollmer die Personal- und Finanzbereiche von Wachstumsunternehmen.

Weitere Informationen finden Sie unter www.casablanca.ai

Das Interview erschien zuerst in unserer Fachzeitschrift:


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