
AG Altenburg: Fahren mit Reichsflagge auf KFZ-Kennzeichen nicht strafbar
Staatsanwaltschaft: Überkleben ist Kennzeichenmissbrauch
Die zuständige Staatsanwaltschaft sah in dem Überkleben einen Kennzeichenmissbrauch nach § 22 StVG und erhob Anklage. Der Angeklagte habe das Kennzeichen des betreffenden Fahrzeugs verändert und das Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt.Im Wortlaut: § 22 StVG - Kennzeichenmissbrauch |
(1) Wer in rechtswidriger Absicht
(2) Die gleiche Strafe trifft Personen, welche auf öffentlichen Wegen oder Plätzen von einem Kraftfahrzeug oder einem Kraftfahrzeuganhänger Gebrauch machen, von denen sie wissen, dass die Kennzeichnung in der in Absatz 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Art gefälscht, verfälscht oder unterdrückt worden ist. |
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Update |
29.08.2019 |
OLG München zum Überkleben des Euro-Feldes eines Autokennzeichens | |
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Die Zahl der Fälle, in denen Kfz-Halter das blaue Euro-Feld ihres Kennzeichens mit einer „Reichsflagge“ oder einem „Preußenadler“ überkleben, bleibt stabil. Nachdem das Amtsgericht Altenburg hierin kein strafbares Verhalten sieht, hat sich auch das Oberlandesgericht München dazu geäußert. mehr … |
AG Altenburg: Keine Strafbarkeit nach § 22 StVG
Das Amtsgericht sah hingegen keinen der Tatbestände, die in § 22 StVG genannt sind, als erfüllt an:- So wären schon die jeweiligen objektiven Tatbestände von § 22 Absatz 1 Nr. 1 und Nr. 2 StVG nicht erfüllt. Das veränderte Kennzeichen könne schon nicht den Anschein erwecken, als wäre es amtlich, was die Nr. 1 dieser Vorschrift aber voraussetze. Gegenwärtig, so das Gericht weiter, würde keine schwarz-weiß-rote Flagge als Kennzeichnung eines Staates existieren.
- Auch wurden die Buchstaben- und Zahlenkombination, die dem Fahrzeug über das Kennzeichen zugeteilt wurden, nicht verändert. Damit wäre auch die Nr. 2 von § 22 Absatz 1 nicht erfüllt, meint das AG weiter.
Anders bewertete das Gericht dies bei den Voraussetzungen von § 22 Absatz 1 Nr. 3 StVG. Hier liege zwar der objektive Tatbestand vor, weil der Angeklagte das Kennzeichen zumindest teilweise verdeckt und damit verändert hatte.
Aber: Keine Absicht zur Täuschung des Rechtsverkehrs
Allerdings so das Gericht in Altenburg weiter, sei der subjektive Tatbestand dieser Norm nicht erfüllt. Voraussetzung hierfür die eine sogenannte „überschießende Innentendenz” der rechtswidrigen Absicht.
Diese wäre ähnlich wie das Merkmal zur „Täuschung im Rechtsverkehr” im Sinne von § 267 Absatz 1 StGB zu verstehen. Gemeint ist die Absicht, im Rechtsverkehr einen falschen Beweis zu erbringen.
Damit sind nach Auffassung des Gerichts nur Handlungen erfasst, die die Feststellung oder die Erkennbarkeit der amtlichen Kennzeichnung und damit die Zuordnung des Fahrzeuges beeinträchtigen. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt, weil die Kennzeichnung des Fahrzeuges unverändert blieb. Ohne dieses Merkmal der überschießenden Innentendenz würde der Anwendungsbereich von § 22 Absatz 1 StVG endlos ausufern, führt das Gericht hierzu weiter aus und fährt mit der Bemerkung fort, dass in diesem Fall sogar das Nachzeichnen der Buchstaben auf dem Kennzeichen strafbar wäre.
Das Gericht sah auch ansonsten keine Absicht zur Täuschung im Rechtsverkehr. So sollte kein falscher Beweis erbracht werden. Ebenso sah das Gericht keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte Fahrten ins Ausland geplant hatte.
Ebenso wenig sah das AG Altenburg den Tatbestand von § 22 Absatz 2 StVG als gegeben an. Eine Ordnungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen die Fahrzeugzulassungsverordnung hat das Gericht ebenfalls verneint.
Quelle: Urteil des Amtsgerichts Altenburg vom 21.04.2017 - 620 Js 40861/16 2 Cs, mitgeteilt von Alexander Gratz am 12.06.2017 im Verkehrsrecht Blog
Standpunkt - Assessor jur. Bernd Preiß, ESV-Redaktion Recht |
Das Urteil wirft Fragen auf:
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(ESV/bp)
Programmbereich: Verkehrsrecht, -wirtschaft, -technik