ArbG Kiel zur Entgeltfortzahlung bei Corona-Infektion nach Urlaub in Hochrisikogebiet
Beklagte: Klägerin hat Erkrankung an Corona selbst verschuldet
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ArbG Kiel: Kein grober Verstoß der Klägerin gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen
- Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht erschüttert: Die bloße Mitteilung der Klägerin an die Arbeitgeberin, dass es ihr „ganz gut gehe“, erschüttert den hohen Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung noch nicht.
- Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht entfallen: Ebenso wenig lässt die Quarantäne, die gegenüber der Klägerin angeordnet war, den Entgeltfortzahlungsanspruch entfallen.
- Kein Verschulden der Klägerin: Vor allem aber hat die Klägerin nach Auffassung des Gerichts ihre Arbeitsunfähigkeit nicht selber im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgFG (siehe unten) verschuldet. Nach dieser Norm ist ein grober Verstoß gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen erforderlich. Insoweit wendete das Gericht die grundsätzliche Wertung von § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG (siehe ebenfalls unten) nicht an. Die Begründung: Zwar entfallen nach dieser Norm Entschädigungsansprüche, wenn eine Person die Erkrankung durch Nichtantritt der Reise in ein bestehendes Risikogebiet, hätte vermeiden können. Dies kann dem Gericht zufolge aber nur dann gelten, wenn die Inzidenzwerte im Urlaubsgebiet deutlich höher sind als im Wohn- und Arbeitsort der Arbeitnehmerin oder als in der Bundesrepublik Deutschland. Ist dies nicht der Fall, begründet eine Reise in das Risikogebiet nur eine Gefahr, die sich im Rahmen des allgemeinen Lebensrisikos bewegt.
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Im Wortlaut: § 3 Absatz 1 Satz 1 EntgFG – Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (Auszug) |
(1) Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. […] § 56 Absatz 1 Satz 4 IfSG – Entschädigung (Auszug) Eine Entschädigung … erhält nicht, wer … durch Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein bereits zum Zeitpunkt der Abreise eingestuftes Risikogebiet ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können. [ ... ] |
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(ESV/bp)
Programmbereich: Arbeitsrecht