
Aufruf zu „Corona-Spaziergang“: VG Dresden enthebt Polizisten aus Beamtendienst
In der Tat hatten zahlreiche Veranstalter solcher Demos oder deren Teilnehmer solche Treffen als „Spaziergänge“ bezeichnet, um polizeilichen Auflagen für Versammlungen zu entgehen oder um den Anschein von privater Bewegung an der frischen Luft zu erwecken. Mit dem Begriff „Spaziergang“ wollten sich die Aufrufenden von klassischen Kundgebungen im Sinne des Versammlungsrechts sprachlich abgrenzen.
Vor allem im Osten von Deutschland gab es – in der Regel montags – solche „Corona-Spaziergänge“. Behörden und Gerichte bewerteten die Treffen aber zum Teil als rechtliche Versammlungen im Sinne von Art. 8 GG (siehe unten), die anzumelden gewesen wären.
Darüber hinaus, so die Polizeidirektion weiter, soll der Polizist über einige weitere Posts das politische System der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaats Sachsen insgesamt infrage gestellt haben. Damit hatte der Polizist nach Auffassung der Polizeidirektion gravierend gegen seine beamtenrechtliche Treuepflicht verstoßen, sodass der Freistaat Sachsen ihn im Wege der Disziplinarklage vor dem VG Dresden aus dem Dienst entheben lassen wollte.
Besonderheiten bei der Dienstenthebung und die beamtenrechtliche Treuepflicht
- Zur Dienstenthebung: Bei der Dienstenthebung eines Beamten gilt die Besonderheit, dass diese nicht allein durch einen Verwaltungsakt erfolgen kann. Vielmehr ist die Enthebung durch ein Urteil des zuständigen Verwaltungsgerichts (VG) auszusprechen.
- Zur beamtenrechtlichen Treuepflicht: Die beamtenrechtliche Treuepflicht gebietet dem Beamten, den Staat und seine geltende Verfassungsordnung zu bejahen - und zwar nicht nur verbal, sondern auch dadurch, dass er die geltenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachtet und sein Amt aus dem Geist dieser Vorschriften heraus führt. Diese Pflicht ergibt sich aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (siehe unten) und den beamtenrechtlichen Grundsätzen der Länder. Zu benennen wäre für Sachsen insoweit vor allem die Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Prüfung der persönlichen Eignung für das Beamtenverhältnis in Abschnitt I Randnummer 2 Ziffer 2.
Betroffener Polizist: „Ich wollte keine Versammlung organisieren“
In der mündlichen Verhandlung vor dem VG Dresden ließ der betroffene Polizist sich dahingehend ein, dass er keine Versammlung organisieren wollte. In seinen entsprechenden Post habe er lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass er sich bei einem „Spaziergang“ über den „Wahnsinn“ Gedanken machen wollte.
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VG Dresden: Dienstenthebung rechtmäßig
Die Disziplinarkammer des VG Dresden folgte den Einlassungen des Polizisten nicht. Nach Auffassung der Kammer hat der Beamte das Vertrauen, das für die Ausübung seines Amtes erforderlich ist, endgültig verloren. Die wesentlichen Erwägungen der Kammer:
- Mehrfache Auffälligkeiten: Der betroffene Beamte war wegen ähnlicher Beiträge vorher in den sozialen Medien bereits aufgefallen und wurde dementsprechend disziplinarrechtlich belangt.
- Umgehung von Corona-Vorschriften: Durch seinen Aufruf zur Umgehung von Corona-Vorschriften habe er kundgetan, dass er geltendes deutsches Recht, das seiner Auffassung widerspricht, nicht durchsetzen wolle. Bekräftigt habe er dies auch durch weitere Posts in sozialen Netzwerken.
- Billigung von körperlichem Widerstand gegen Polizeimaßnahmen: In den sozialen Medien habe er auch ein Video geteilt, auf dem Protestierende erkennbar eine polizeiliche Absperrung durchbrechen. Damit habe er den körperlichen Widerstand gegen polizeiliche Maßnahmen gebilligt.
- Verunglimpfung staatlicher Institutionen: Darüber hinaus habe er verschiedene staatliche Institutionen verunglimpft, so die Kammer weiter.
Endgültig entschieden ist die Sache damit aber noch nicht. Gegen die Entscheidung der Disziplinarkammer des VG Dresden ist – innerhalb von einem Monat nach Zustellung der vollständigen Entscheidung – die Einlegung der Berufung zum Sächsischen OVG möglich.
Quelle: PM des Medienservice (sachsen.de) VG Dresden vom 06.08.2025 zum Urteil vom selben Tag – 10 K 1899/24.D
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Im Wortlaut: Art. 8 GG |
(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. § 33 Abs. 1 BeamtStG (Beamtenstatusgesetz) – Grundpflichten (1) 1 Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. 2 Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. 3 Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. |
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(ESV/bp)
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