
Autoraser vom Ku’damm scheitert mit Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe
Das LG Berlin verurteilte den Beschwerdeführer wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Nach einer Revision zum BGH, der das Urteil aufhob und die Sache zurückverwiesen hatte, verurteilte die Ausgangsinstanz den Beschwerdeführer noch einmal wegen Mordes.
Daraufhin zog dieser wieder vor den BGH, der die Sache abermals zurückverwiesen hatte. Im dritten Verfahrensgang verurteilte in die Ausgangsinstanz diesen Fahrer dann nochmals wegen Mordes. Eine erneute Revision zum BGH scheiterte, weil der BGH die Annahme des LG, das von einem bedingten Tötungsvorsatzes ausging, nicht beanstandet hatte.
Hiergegen wendete sich der betroffene Raser dann mit einer Verfassungsbeschwerde an das BVerfG. Er sah in der angegriffenen Entscheidungen eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots von Art. 103 Abs. 2 GG. Zudem rügte er die Verletzung des Schuldgrundsatzes durch die Auslegungen der Vorinstanzen sowohl zum Begriff des Vorsatzes als auch zur Beweiswürdigung zum Tatvorsatz.
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BVerfG: Bestimmtheitsgebot eingehalten
- Hinreichende Abgrenzung der Merkmale bedingter Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit: Nach Ansicht der Kammer lassen sich bei Tötungsdelikten die subjektiven Tatbestandsmerkmale des bedingten Vorsatzes und der bewussten Fahrlässigkeit aufgrund der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung ausreichend durch Auslegung abgrenzen.
- Gefestigte Rechtsprechung verfassungskonform: Die Kammer konnte auch nicht erkennen, dass diese Rechtsprechung mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar wäre. Die vereinzelte Kritik hierzu betrifft demnach nur „zulässige Randunschärfen“ bei der Abgrenzung, so die Kammer weiter, die es für die Aufgabe der fachgerichtlichen Rechtsprechung und Wissenschaft hält, damit umzugehen. Hierdurch würde die Gewährung des Bestimmtheitsgebots aber nicht tangiert. Bei der Rüge von Verstößen gegen Art. 103 Abs. 2 GG zählt es nicht zu den Aufgaben des BVerfG, bei der Auslegung von einfachem Recht die Auslegung der Fachgerichte durch die Ansicht des BVerfG zu ersetzen. Vorliegend gehen die angegriffenen Entscheidungen ausdrücklich von der BGH-Rechtsprechung als Ausgangspunkt ihrer rechtlichen Bewertungen aus. Dabei hätten sowohl der BGH als auch das LG nicht die objektive Gefährlichkeit der fraglichen Handlung berücksichtigt. Vielmehr hätten diese sowohl die wesentlichen Umstände des Einzelfalls als auch die Rückschlüsse auf das Wissens- und das Willenselement der inneren Tatseite mit in ihre Wertung einbezogen.
- Kein Verstoß gegen Verschleifungsverbot: Ebenso wenig kann sich der Beschwerdeführer auf das sogenannte Verschleifungsverbot berufen. So liegt keine unzulässige Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen vor, wenn einem tatsächlichen Umstand Beweisbedeutungen für verschiedene Merkmale zugemessen werden.
- Kein Verstoß gegen Schuldprinzip: Der Kammer zufolge liegen auch keine Verstöße gegen das Schuldprinzip vor. Demzufolge ist die BGH-Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit unbedenklich, weil die individuelle Vorwerfbarkeit Grundlage für den Schuldgehalt und den Strafrahmen ist. Auch der Vorwurf des Beschwerdeführers, nach dem das LG bei der Bewertung der Tat als Mord lediglich das Leitbild eines rational Handelnden im Blick gehabt haben soll, greift nicht. Vielmehr habe die Ausgangsinstanz bei ihrer Beweiswürdigung neben der konkreten Gefährlichkeit der Fahrt auch die Persönlichkeit des Beschwerdeführers, dessen Motivation für das maximale Beschleunigen nach der Kurve, dessen grundsätzliche Einstellung zum Autofahren und auch dessen fahrerische Selbsteinschätzung mit in ihre Wertung einbezogen. Dies erfüllt nach Ansicht der Kammer das verfassungsrechtliche Gebot, nach dem der Schuldspruch die individuelle Vorwerfbarkeit des Täters zu berücksichtigen hat.
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(ESV/bp)
Programmbereich: Verkehrsrecht, -wirtschaft, -technik