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BAG: Arbeitgeber darf ggf. im Rahmen seines Hygiene-Konzepts und einer Test-Strategie PCR-Tests anordnen (Foto: steheap / stock.adobe.com)
Arbeitsschutz und Arbeitsrecht

BAG: Vom Arbeitgeber angeordnete Corona-Tests waren rechtmäßig

ESV-Redaktion Recht
07.06.2022
Kann ein Arbeitgeber zur Umsetzung seiner arbeitsschutzrechtlichen Pflichten gegenüber seinen Arbeitnehmern einseitig Corona-Tests anordnen? Hierüber hat der Fünfte Senat des BAG aktuell entschieden.
In dem Streitfall war die Klägerin als Flötistin an der Bayerischen Staatsoper angestellt. Ihr monatliches Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt 8.351,86 Euro. Aufgrund von Corona hat die Bayerische Staatsoper im Rahmen ihres betrieblichen Hygienekonzepts zum Anfang der Spielzeit 2020/21 dann eine Teststrategie entwickelt – und zwar zusammen mit dem Institut für Virologie der TU München sowie dem Klinikum rechts der Isar. 

Die Strategie sah eine Einteilung der Beschäftigten in Risikogruppen vor; je nach Gruppenzugehörigkeit wurden die Mitarbeiter zur Durchführung von PCR-Tests in verschiedenen Zeitabständen verpflichtet. Die Klägerin sollte als Orchestermusikerin zunächst zu Beginn der Spielzeit einen negativen PCR-Test vorlegen. Danach sollte sie alle ein bis drei Wochen neue Tests vorlegen. Hierfür bot die Bayerische Staatsoper kostenlose PCR-Tests an. Zudem teilte der beklagte Arbeitgeber der Klägerin mit, dass sie ohne Tests weder an Aufführungen noch an Proben teilnehmen dürfe.
 

Klägerin: PCR-Tests sind unverhältnismäßig

Die Klägerin weigerte sich jedoch, die geforderten Tests vorzulegen. Nach ihrer Auffassung waren die Tests zu ungenau. Da diese zudem unverhältnismäßig in ihre körperliche Unversehrtheit eingreifen würden, hielt die Klägerin die anlasslosen Massentests auch für unzulässig. Der beklagte Arbeitgeber stellte daraufhin gegenüber der Klägerin die Gehaltszahlungen für die Zeit von Ende August bis Ende Oktober 2020 ein. Seit Ende Oktober 2020 legte die Klägerin dann PCR-Tests vor – aber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Schließlich klagte sie für den benannten Zeitraum ihre Vergütung unter dem Aspekt des Annahmeverzugs ein. Hilfsweise beanspruchte sie eine Bezahlung für die Zeiten ihres häuslichen Übens. Darüber hinaus verlangte sie ihre Weiterbeschäftigung, aber ohne zur Vorlage von Corona-Tests verpflichtet zu sein.
 
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BAG: Testanordnung liegt im billigen Ermessen des Arbeitgebers

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Gleiches gilt für die Revision der Klägerin, die der Fünfte Senat des BAG nachträglich zugelassen hatte. Nach Auffassung des Senats muss der Arbeitgeber die Arbeitsleistungen gemäß § 618 Abs. 1 BGB so regeln, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit geschützt sind, soweit die Art der Arbeitsleistung diesen Schutz ermöglicht. Die weiteren tragenden Erwägungen des Senats waren:
 
  • Konkretisierung der Fürsorgepflichten des Arbeitgebers durch Arbeitsschutznormen: Die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen des ArbSchG konkretisieren die Fürsorgepflichten, die dem Arbeitgeber in Bezug auf die Sicherheit und das Leben der Arbeitnehmer auferlegt wurden.
  • Weisungsrecht des Arbeitgebers aufgrund von § 106 Satz 2 GewO: Um die arbeitsschutzrechtlichen  Maßnahmen umzusetzen, darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach § 106 Satz 2 GewO Weisungen erteilen, die die Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen. Hierbei hat der Arbeitgeber ein Ermessen, das durch die Vorgaben des ArbSchG konkretisiert wird.
  • Tests als Bestandteil des Hygienekonzepts: Nach diesen Maßgaben war die Weisung des Freistaats Bayern zur Durchführung von PCR-Tests im Rahmen des betrieblichen Hygienekonzepts rechtmäßig. So hatte die Bayerische Staatsoper aufgrund der pandemischen Verbreitung von Corona zunächst technische und organisatorische Maßnahmen veranlasst – wie etwa den Umbau des Bühnenraums und die Anpassungen der aufzuführenden Stücke. Nachdem diese Maßnahmen nicht mehr als ausreichend angesehen wurden, entwickelte die Bayerische Staatsoper dann, wie wie oben beschrieben, das benannte Hygienekonzept mit den PCR-Tests.
  • Testanweisung im Rahmen billigen Ermessens: Dieses Hygienekonzept sollte den Spielbetrieb sicherstellen und zwar bei gleichzeitigem Schutz der Gesundheit der Beschäftigten. Demgegenüber war der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit aufgrund der Tests dem Senat zufolge minimal. Die Folge: Die Anordnung der Tests war verhältnismäßig und entsprach einem billigen Ermessen, wie von § 106 GewO gefordert.
  • Keine rechtswidrige Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung:  Auch eine rechtswidrige Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung lag dem Senat zufolge nicht vor. Denn positive Testergebnisse werden ohnehin schon aufgrund der  Meldepflichten des IfSG und der Kontaktnachverfolgung im Betrieb bekannt.
  • Keine Vergütungsansprüche für die fragliche Zeit:  Da die Umsetzung des betrieblichen Hygienekonzepts mit den Testvorgaben rechtmäßig war, hat der beklagte Arbeitgeber auch die Vergütung für die Zeit von Ende August bis Ende Oktober 2020 rechtmäßig einbehalten. Ebenso wenig ist dem Senat zufolge das häusliche Üben zu vergüten. Derartige Vergütungen wären nur insoweit geschuldet, wie sich diese sich auf die tarifvertraglich geregelten Dienste wie Proben und Aufführungen beziehen. Hieran hat die Klägerin in dem umstrittenen Streitzeitraum aber nicht teilgenommen.
  • Keine Beschäftigung ohne Tests: Schließlich sahen die Erfurter Richter auch keinen Anspruch der Klägerin auf eine Beschäftigung ohne Tests. Insoweit betonte das Gericht nochmals, dass wirksame Testanordnungen vorliegend möglich waren.
Quelle: PM des BAG vom 01.06.2022 zum Urteil vom selben Tag – 5 AZR 28/22


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(ESV/bp)

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