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BGH: Eltern haben Zugriff auf digitalen Nachlass ihrer Tochter (Foto: djahan/Fotolia.com)
Digitaler Nachlass

BGH: Eltern dürfen auf Facebook-Profil ihrer verstorbenen Tochter zugreifen

ESV-Redaktion Recht
20.07.2018
Haben Eltern Zugriff auf das Facebook-Konto ihrer verstorbenen Tochter? Nachdem das LG Berlin diese Frage bejaht hatte, lehnte das Kammergericht (KG) in Berlin den Anspruch der Eltern gegen Facebook ab. Nun musste der Bundesgerichtshof (BGH) die Frage des digitalen Erbes  entschieden.
Klägerin war die Mutter einer 15-jährigen Tochter, die im Jahr 2012 durch eine Berliner U-Bahn tödlich verletzt wurde und ein Facebook-Profil  hatte. Von dem Zugriff auf das Facebook-Konto hatten die Eltern gehofft zu erfahren, ob ihre Tochter Suizid begangen hatte.


Facebook: Datenschutz hat Vorrang

Facebook verweigerte den Eltern den Zugriff jedoch aus Datenschutzgründen. Das „Social-Media”-Unternehmen meint, dass die Freigabe der Nachrichten auf dem Konto der Tochter auch die Interessen der Nutzer berühren würde, die Kontakt zu der Tochter hatten. Das Vertrauen der Nutzer auf den privaten Charakter der Chat-Inhalte sei schutzwürdiger als die Interessen der Erben, so das Unternehmen, das andererseits jedoch nicht eben als Wahrer von Verbraucherrechten gilt (siehe Kasten: Verbraucherschützer (vzbv) gegen Facebook: Chronologie einer Auseinandersetzung).

Berliner Gerichte uneinig

Demgegenüber vertrat das Landgericht (LG) Berlin die Auffassung, dass Eltern als Sorgeberechtigte wissen dürfen, mit wem ihr minderjähriges Kind kommuniziert, und zwar auch über den Tod hinaus. Der Vertrag des Kindes mit dem sozialen Netzwerk gehöre als „digitaler Nachlass” zum Erbe des Kindes und müsse genauso behandelt werden, wie Briefe oder Tagebücher.

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Das KG Berlin folgte der Auffassung der Eingangsinstantz nicht. Danach ist den Eltern der Zugriff auf das Konto der Tochter aufgrund des Fernmeldegeheimnisses verwehrt. Dieses Telekommunikationsgeheimnis könne nur durch Gesetz eingeschränkt werden, was vorliegend nicht geschehen sei. Auch aus dem Sorgerecht der Eltern würde sich nichts anderes ergeben, weil dieses mit dem Tod des Kindes endet. 


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BGH: Anspruch der Tochter auf Eltern übergegangen

Der Bundesgerichtshof (BGH) schloss sich der Auffassung des Landgerichts (LG) Berlin an. Der III. Senat des BGH hat die Entscheidung der Berufungsinstanz aufgehoben und das Urteil des LG wiederhergestellt. Dem Senat zufolge haben die Erben gegen Facebook einen Anspruch auf Zugang zum Benutzerkonto ihrer Tochter. Damit muss Facebook der Klägerin auch Zugriff auf die in dem Konto vorgehaltenen Kommunikationsinhalte gewähren. Die wesenlichen Erwägungen des Senats: 

  • Nutzungsvertrag mit Tochter als Anspruchsgrundlage: Den Richtern aus Karlsruhe zufolge ergibt sich der Anspruch aus dem Nutzungsvertrag zwischen der Tochter der Klägerin und Facebook. Dieser ist  im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben übergegangen.
  • Vererbbarkeit nicht vertraglich ausgeschlossen: Die Vererbbarkeit ist dem Richterspruch zufolge auch nicht durch Vertrag ausgeschlossen worden, weil die Nutzungsbedingungen diese Frage nicht geregelt haben. In diesem Zusammenhang betonten die Karslruher Richter, dass die Klauseln zum Gedenkzustand nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Zudem wären diese Klauseln nach § 307 Absätze 1 und 2 BGB unwirksam.
  • Vertrag nicht höchstpersönlicher Natur: Ebensowenig lässt sich nach Auffassung des III. Senats aus dem Wesen des Vertrags eine Unvererblichkeit des Vertragsverhältnisses herleiten, da dieser nicht höchstpersönlicher Natur wäre. 
  • Fernmeldegeheimnis nicht einschlägig: Auch das Fernmeldegeheimnis bringt den klägerischen Anspruch nicht zu Fall. Der Erbe, so der Senat hierzu, trete vollständig in die Position des Erblassers ein. Schon deshalb wäre der Erbe kein „anderer“im Sinne von § 88 Absatz 3 TKG.
  • DSGVO anwendbar: Schließlich sahen die Karlsruher Richter auch keine Kollision mit dem Datenschutzrecht. Hervorzuheben ist, dass dem III. Senat zufolge die DSGVO anwendbar ist. Diese würde dem Zugang der Erben nicht entgegenstehen, so der Senat. Datenschutzrechtliche Belange der Erblasserin wären nicht betroffen, da die DSGVO nur lebende Personen schützen soll. Die Rechtsgrundlagen für die Verarbeitung der Daten der Kommunikationspartner der Erblasserin sieht der Senat in Art. 6 Absatz 1 Buchstabe b Var. 1 DS-GVO und in Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO. 

Quelle: Urteil des BGH vom 12.7.2018 – III ZR 183/17 


Update 

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Im Juni 2018 hatte der BGH entschieden, dass die Erben beim Tod des Nutzers eines sozialen Netzwerks Zugang zum Benutzerkonto des Erblassers haben. Damit hatte der BGH ein Urteil des LG Berlin aus dem Jahr 2015 bestätigt. Dennoch mussten die Karlsruher Richter nun erneut über den Fall entscheiden. Nun ging es um den Umfang des Zugangs. mehr …

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  • einschlägige Regelungstexte der Landesdatenschutzgesetze und Auszüge aus vom BDSG tangierten Gesetzen.
Neben einer leicht verständlichen Synopse zu bisherigem und neuem Recht finden Sie auch Wertungen zu Auswirkungen der DS-GVO auf die Rechtslage – unter Beachtung des BDSG (neu). Innerhalb der DS-GVO-Erläuterungen werden neues Recht und die bisherige Rechtslage übersichtlich gespiegelt.
(ESV/bp)

Programmbereich: Wirtschaftsrecht