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BGH: Postbote muss auf dem Umschlag der einzuwerfenden Sendung zwingend auch das Zustellungsdatum vermerken Fiedels / AdobeStock (ehemals © Fiedels / Fotolia)
Ersatzzustellung nach § 180 ZPO

BGH zu Mängeln bei Ersatzzustellung von Schriftstücken

ESV-Redaktion Recht
16.05.2023
Bei der Ersatzzustellung eines Schriftstücks durch die Post kann auch die Frage, ob auf dem Umschlag der betreffenden Sendung das Zustellungsdatum vermerkt wurde, eine wichtige Rolle spielen. Hierüber hat der BGH in einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden.
In dem Streitfall forderte Kläger vom Beklagten die Erstattung von Stromkosten. Insoweit hatte das AG Gardelegen den Beklagten per Versäumnisurteil (VU) zur Zahlung verurteilt. Das VU wurde dem Kläger am 07.10.2021 zugestellt – und zwar durch Einlegen in Briefkasten des Beklagten. Die Zustellungsurkunde enthielt einen Vermerk, nach dem der Briefträger den Tag der Zustellung auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks eingetragen hatte.
 
Gegen das VU wendete sich der Beklagte mit einem Einspruch, der am Freitag, den 22.10.2021 beim AG Gardelegen einging. Nach Hinweis des AG auf Verfristung wendete der Beklagte ein, dass er den Brief erst am 08.10.2021 aus seinem dem Briefkasten entnommen hatte. Auf dem Umschlag fand sich auch kein Zustellungsdatum. Demnach hätte der Beklagte also die zweiwöchige Einspruchsfrist eingehalten.
 

Vorinstanzen: Etwaiger fehlender Zustellungsvermerk auf Schriftstück führt nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung

 
Die Vorinstanzen – das heißt, das AG Gardelegen (31 C 211/21) und das LG Stendal (22 S 4/22) als Berufungsinstanz – sahen den Einspruch jedoch als verfristet und damit unzulässig an. Demnach hat ein fehlender Vermerk über das Zustellungsdatum auf dem Umschlag des Schriftstücks nicht die Unwirksamkeit der Zustellung zur Folge. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut von § 180 ZPO. Nach dieser Norm soll der Vermerk auf dem Umschlag dem Empfänger lediglich die Kenntnis des Zustelldatums vermitteln. Darüber hinaus wäre bei einem Verstoß gegen § 180 Satz 3 ZPO auch nicht die Unwirksamkeit der Zustellung erforderlich, weil dem Empfänger die Wiedereinsetzung gewährt werden könnte. Gegen die Entscheidung des LG Stendal zog der Kläger mit einer Revision vor den BGH.

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BGH: Schriftstück galt nicht schon mit Einwurf in Briefkasten des Beklagten als zugestellt

 
Der VIII. Zivilsenat hat das Urteil der Berufungsinstanz aufgehoben und dorthin zurückverwiesen. Nach Auffassung des Senats durfte das LG Stendal nicht annehmen, dass das VU dem Beklagten schon mit Einwurf in dessen Briefkasten am 07.10.201 „als zugestellt gilt“. Die wesentlichen Erwägungen des Senats hierzu: 
 
  • Fehlerhafte Annahme einer Zustellungsfiktion: Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerhaft von der Zustellungsfiktion des § 180 Satz 2 ZPO ausgegangen – und zwar unabhängig vom Vortrag des Beklagten.  
  • Tatsächlicher Zustellungsvermerk des Postboten auf Schriftstück nicht entbehrlich: Die Auffassung der Vorinstanzen lässt sich auch nicht mit dem Wortlaut von § 180 ZPO begründen, denn diese Norm entbindet den Postboten nicht davon, den Zustellungsvermerk auf der betreffenden Sendung anzubringen. Genau dies hatte der Beklagte aber bestritten. 
Diese Frage muss nun das LG Stendal klären. Nach dem Hinweis des Senats muss der Kläger hierbei letztlich darlegen und beweisen, dass der Beklagte noch am 07.10.2021 tatsächlich Kenntnis von dem VU hatte. Insoweit reicht es nicht aus, dass der Kläger den Vortrag des Beklagten, nach dem dieser den Brief erst am 08.10.2021 aus seinem Briefkasten nahm, einfach bestreitet.
 
Quelle: Urteil des BGH vom 15.03.2022 – VIII ZR 99/22


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Im Wortlaut: § 180 ZPO – Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten

Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung.


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(ESV/bp) 

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht