
BGH zur Räumung und Herausgabe eines Grundstücks nach Aufhebung des Zuschlags einer Zwangsversteigerung
- von der Beklagten zu 1) die Berichtigung Grundbuchs.
- von beiden Beklagten die Herausgabe des Grundstücks und die Räumung,
- die Beseitigung des Hauses,
- die Löschung der Grundschuld
- sowie die Zahlung eines Nutzungsersatzes.
Die Entscheidungen der Instanzgerichte
- LG Potsdam: Vor dem LG Potsdam (Urteil vom 05.05.2020 – 1 O 330/14) hatte die Klage nur zum Teil Erfolg. Das LG verurteilte die Beklagte zu 1) dazu, die Berichtigung des Grundbuchs zu bewilligen. Zudem mussten die Beklagten 6.041,67 EUR zuzüglich Zinsen an den Kläger für die Nutzung des Grundstücks zahlen. Im Übrigen hat das LG die Klage abgewiesen.
- OLG Brandenburg: Die Berufungsinstanz – das OLG Brandenburg – schloss sich dann mit Urteil vom 29.06.2023 (5 U 81/20) weitgehend der Auffassung des Klägers an. Es verurteilte die Beklagte zu 1) dazu, die Grundbuchberichtigung zu bewilligen. Beide Beklagten verurteite es zur Herausgabe und Räumung des Grundstücks, zur Beseitigung des Wohnhauses, zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung von 6.041,67 EUR sowie zur Löschung der Grundschuld. Gegen diese Entscheidung zogen die Beklagten mit einer Revision vor den BGH, der das Rechtsmittel zugelassen hatte.
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BGH: Dem Räumungsanspruch des Klägers steht ein Zurückbehaltungrecht gegenüber
Zum Eigentum des Klägers
- Eigentum des Klägers lebt wieder auf: Der Kläger hat im Ergebnis sein Eigentum durch den Zuschlag in der Zwangsversteigerungsverfahren Zuschlag nicht verloren. Zwar hat der Zuschlag nach § 90 Abs. 1 ZVG zunächst zu einem originären Eigentumserwerb der Beklagten zu 1) geführt. Der Zuschlagsbeschluss wurde aber im Beschwerdeverfahren rechtskräftig aufgehoben. Daher, so der Senat weiter, verliert der Ersteher sein Eigentum an dem Grundstück rückwirkend wieder an den Schuldner im Versteigerungsverfahren. Dessen Eigentum lebt wieder auf.
- Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Zuschlags unerheblich: Weil der Beschluss, mit dem der Zuschlag aufgehoben wurde, rechtskräftig geworden ist, ist dessen Rechtmäßigkeit unerheblich. Einwendungen dagegen sind nur im Zusammenhang mit Rechtsmitteln oder Rechtsbehelfen gegen den Aufhebungsbeschluss möglich, nicht aber in einem späteren Verfahren.
Zurückbehaltungsrecht und Verwendungsersatz
- Erweiterter Verwendungsbegriff und Änderung der Rechtsprechung: Wie der Senat betont, waren bislang grundlegende Veränderungen eines Grundstücks – wie etwa der Neubau eines Hauses, keine ersatzfähige Verwendungen. Nun hat der V. Zivilsenat des BGH entschieden, dass auch solche Aufwendungen Verwendungen im Sinne von § 990 BGB sind, die den Wert des Grundstücks erhöhen. Dem Senat zufolge spricht der Zweck der §§ 994 ff. BGB für einen erweiterten Verwendungsbegriff. Dieser Zweck besteht darin, einen gerechten Ausgleich der gegensätzlichen Interessen von Eigentümern und gutgläubigen Besitzern zu schaffen. Im Ergebnis wird der Eigentümer lediglich in seiner Dispositionsbefugnis eingeschränkt und nicht in seinem Eigentum. Die Ersatzpflicht tritt im Falle von § 996 BGB aber nur bei einer Verkehrswerterhöhung ein. Zudem beschränkt sich der Verwendungsersatz auf die tatsächlich aufgewendeten Kosten des Besitzers. Demgegenüber bliebe dem gutgläubigen und unverklagten Besitzer bei einem engen Verwendungsbegriff nur das Wegnahmerecht aus § 997 BGB. Dieses, so der Senat weiter, ist aber aufgrund der hohen Abrisskosten meistens wirtschaftlich wertlos. Hierin sah der Senat eine unangemessene Härte.
- Rechtsunsicherheit bei engem Verwendungsbegriff: Unabhängig davon führt der enge Verwendungsbegriff dem Senat zufolge zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten und damit zu Rechtsunsicherheit. Denn es fehlen geeignete Kriterien dafür, wann noch eine erhaltende oder verbessernde und wann bereits eine grundlegend verändernde Aufwendung vorliegt. Zudem überzeugt es den Senat nicht, in der umfassenden Sanierung eines bestehenden Hauses eine Verwendung zu sehen und in einem Abriss mit einem Neubau nicht.
- Zur Nützlichkeit der Verwendung: Die Nützlichkeit der Verwendung nach § 996 BGB ist auch nicht deshalb abzulehnen, weil der Eigentümer kein Interesse an dem Haus hat. Für die Nützlichkeit kommt es allein auf die objektive Erhöhung des Verkehrswertes an. Dies ergibt sich nach Senatsauffassung aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes.
Kein Anspruch auf Abriss des Wohnhauses
Keine Verpflichtung zur Löschung der Grundschuld
- Kein Bereicherungsanspruch: Zwar hat die Beklagte zu 1) als Nichtberechtigte dem Kläger gegenüber wirksam über das Grundstück verfügt, da die Bank der Beklagten die Grundschuld gutgläubig erworben hat. Ein Bereicherungsanspruch nach § 816 Abssatz 1 Satz 1 BGB ist dem Senat zufolge aber ausgeschlossen, weil die Beklagte zu 1) durch die Verfügung im Sinne dieser Norm nicht die Grundschuld, sondern nur die Sicherung ihres Darlehens erlangt hat.
- Kein Schadenersatzanspruch: Ebenso wenig hat der Kläger einen Schadensersatzanspruch aus §§ 989 f. BGB, denn die Beklagten waren zum Zeitpunkt der Bestellung und der Eintragung der Grundschuld im Jahr 2011 noch gutgläubig und nicht verklagt.
Nutzungsersatz
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(ESV/bp)
Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht