Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

BGH: Die Aufhebung eines Zuschlags in der Zwangsversteigerung kann nur mit Rechtsmitteln oder Rechtsbehelfen gegen den Aufhebungsbeschluss angegriffen werden (Foto: marcus_hofmann / stock.adobe.com)
Fehlerhafte Zwangsversteigerung eines Grundstücks

BGH zur Räumung und Herausgabe eines Grundstücks nach Aufhebung des Zuschlags einer Zwangsversteigerung

ESV-Redaktion Recht
19.03.2025
Fehler bei Zwangsversteigerungen von Grundstücken können fatale Folgen haben – auch für den Ersteigerer, der in das betreffende Grundstück investiert hat. Ebenso kann sich die rechtliche Bewertung einer Rückabwicklung als schwierig erweisen. Dies zeigt ein aktueller Fall vor dem BGH, in dem sich Ansprüche des Grundstückseigentümers und einer gutgläubigem Ersteherin gegenüberstanden – nachdem der Zuschlag einer Zwangsversteigerung später wieder rechtskräftig aufgehoben wurde.
Kläger in dem Streitfall war der Eigentümer eines Grundstücks, eingetragen im Grundbuch seit 1993. Bei diesem wurde ab 2008 die Zwangsversteigerung betrieben. Den Zuschlag erhielt die Beklagte zu 1) im Jahr 2010. Dementsprechend wurde diese auch als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.
 
Gemeinsam mit ihrem Ehemann – Beklagter zu 2 – ließ sie anschließend ein Wochenendhaus, das sich auf dem Grundstück befand, abreißen und ein neues Wohnhaus errichten. Ihr neues Heim bewohnen die Beklagten seit 2012. Die Kredite für den für den Hausbau wurden zur Sicherungszwecken mit einer Grundschuld über 280.000 € zuzüglich Zinsen abgesichert.
 
Der Kläger erhielt erst nach dem Zuschlag Kenntnis von der Zwangsversteigerung. Nach seinem Betreiben wurde der Zuschlagsbeschluss 2014 rechtskräftig aufgehoben. Im Anschluss hieran verlangte er vor dem LG Potsdam:

  • von der Beklagten zu 1) die Berichtigung Grundbuchs. 
  • von beiden Beklagten die Herausgabe des Grundstücks und die Räumung,
  • die Beseitigung des Hauses,
  • die Löschung der Grundschuld
  • sowie die Zahlung eines Nutzungsersatzes.
Demgegenüber beantragten die Beklagten die Klageabweisung. Hilfsweise machten sie ein Zurückbehaltungsrecht geltend, das sie mit ihren Aufwendungen für den Hausbau begründeten. Ihre Aufwendungen bezifferten sie insoweit mit mindestens 500.000 €.

Die Entscheidungen der Instanzgerichte

  • LG Potsdam: Vor dem LG Potsdam (Urteil vom 05.05.2020 – 1 O 330/14) hatte die Klage nur zum Teil Erfolg. Das LG verurteilte die Beklagte zu 1) dazu, die Berichtigung des Grundbuchs zu bewilligen. Zudem mussten die Beklagten 6.041,67 EUR zuzüglich Zinsen an den Kläger für die Nutzung des Grundstücks zahlen. Im Übrigen hat das LG die Klage abgewiesen.
  • OLG Brandenburg: Die Berufungsinstanz – das OLG Brandenburg –  schloss sich dann mit Urteil vom 29.06.2023 (5 U 81/20) weitgehend der Auffassung des Klägers an. Es verurteilte die Beklagte zu 1) dazu, die Grundbuchberichtigung zu bewilligen. Beide Beklagten verurteite es zur Herausgabe und Räumung des Grundstücks, zur Beseitigung des Wohnhauses, zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung von 6.041,67 EUR sowie zur Löschung der Grundschuld. Gegen diese Entscheidung zogen die Beklagten mit einer Revision vor den BGH, der das Rechtsmittel zugelassen hatte.

    Der kostenlose Newsletter Recht – Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung! 
    Redaktionelle Meldungen zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps

 

BGH: Dem Räumungsanspruch des Klägers steht ein Zurückbehaltungrecht gegenüber

 
Der  V. Zivilsenat des BGH hat das Urteil des OLG Brandenburg aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung an die Berufungsinstanz zurückverwiesen. Die wichtigsten Erwägungen des Senats:
 

Zum Eigentum des Klägers

  • Eigentum des Klägers lebt wieder auf: Der Kläger hat im Ergebnis sein Eigentum durch den Zuschlag in der Zwangsversteigerungsverfahren Zuschlag nicht verloren. Zwar hat der Zuschlag nach § 90 Abs. 1 ZVG zunächst zu einem originären Eigentumserwerb der Beklagten zu 1) geführt. Der Zuschlagsbeschluss wurde aber im Beschwerdeverfahren rechtskräftig aufgehoben. Daher, so der Senat weiter, verliert der Ersteher sein Eigentum an dem Grundstück rückwirkend wieder an den Schuldner im Versteigerungsverfahren. Dessen Eigentum lebt wieder auf.
  • Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Zuschlags unerheblich: Weil der Beschluss, mit dem der Zuschlag aufgehoben wurde, rechtskräftig geworden ist, ist dessen Rechtmäßigkeit unerheblich. Einwendungen dagegen sind nur im Zusammenhang mit Rechtsmitteln oder Rechtsbehelfen gegen den Aufhebungsbeschluss möglich, nicht aber in einem späteren Verfahren.
 

Zurückbehaltungsrecht und Verwendungsersatz

Der Senat hat aber die Auffassung der Berufungsinstanz, nach der die Beklagten kein Zurückbehaltungsrecht haben, nicht geteilt. Demnach kommt für die Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht nach § 996 BGB unter dem Aspekt des Verwendungsersatzes in Betracht. Nach dieser Norm kann der Besitzer auch für nicht notwendige Verwendungen Ersatz verlangen, wenn die Verwendungen vor Eintritt der Rechtshängigkeit und vor einer Bösgläubigkeit im Sinne von § 990 BGB durchgeführt wurden. Zudem muss der Wert der Sache durch die Verwendungen zum Zeit der Rückgabe des Grundstücks noch erhöht sein. Die weiteren Überlegungen des Senats hierzu:
 
  • Erweiterter Verwendungsbegriff und Änderung der Rechtsprechung: Wie der Senat betont, waren bislang grundlegende Veränderungen eines Grundstücks – wie etwa der Neubau eines Hauses, keine ersatzfähige Verwendungen. Nun hat der V. Zivilsenat des BGH entschieden, dass auch solche Aufwendungen Verwendungen im Sinne von § 990 BGB sind, die den Wert des Grundstücks erhöhen. Dem Senat zufolge spricht der Zweck der §§ 994 ff. BGB für einen erweiterten Verwendungsbegriff. Dieser Zweck besteht darin, einen gerechten Ausgleich der gegensätzlichen Interessen von Eigentümern und gutgläubigen Besitzern zu schaffen. Im Ergebnis wird der Eigentümer lediglich in seiner Dispositionsbefugnis eingeschränkt und nicht in seinem Eigentum. Die Ersatzpflicht tritt im Falle von § 996 BGB aber nur bei einer Verkehrswerterhöhung ein. Zudem beschränkt sich der Verwendungsersatz auf die tatsächlich aufgewendeten Kosten des Besitzers. Demgegenüber bliebe dem gutgläubigen und unverklagten Besitzer bei einem engen Verwendungsbegriff nur das Wegnahmerecht aus § 997 BGB. Dieses, so der Senat weiter, ist aber aufgrund der hohen Abrisskosten meistens wirtschaftlich wertlos. Hierin sah der Senat eine unangemessene Härte.
  • Rechtsunsicherheit bei engem Verwendungsbegriff: Unabhängig davon führt der enge Verwendungsbegriff dem Senat zufolge zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten und damit zu Rechtsunsicherheit. Denn es fehlen geeignete Kriterien dafür, wann noch eine erhaltende oder verbessernde und wann bereits eine grundlegend verändernde Aufwendung vorliegt. Zudem überzeugt es den Senat nicht, in der umfassenden Sanierung eines bestehenden Hauses eine Verwendung zu sehen und in einem Abriss mit einem Neubau nicht.
  • Zur Nützlichkeit der Verwendung: Die Nützlichkeit der Verwendung nach § 996 BGB ist auch nicht deshalb abzulehnen, weil der Eigentümer kein Interesse an dem Haus hat. Für die Nützlichkeit kommt es allein auf die objektive Erhöhung des Verkehrswertes an. Dies ergibt sich nach Senatsauffassung aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes.


Kein Anspruch auf Abriss des Wohnhauses

Nach den weiteren Ausführungen des Senats kann der Kläger auch nicht den Abriss des Wohnhauses verlangen. Demzufolge schließt § 1004 Absatz 1 BGB Ansprüche gegen redliche Besitzer aus. Zwar ist das Verhältnis von Beseitigungs- und Verwendungsersatzanspruch nicht ausdrücklich gesetzlich ausdrücklich geregelt, meint der Senat weiter. Aus dem Zusammenspiel von § 993 Absatz 1 Halbsatz 2 BGB und § 989 BGB ergebe sich aber, dass der gutgläubige und nicht verklagte Besitzer besonders schutzwürdig wäre, weil er keinen Schadensersatz leisten muss und nicht auf die allgemeinen Vorschriften zurückzugreifen ist. Auch wenn § 1004 Absatz 1 BGB kein Schadensersatzanspruch ist, ist er im wirtschaftlichen Ergebnis hiermit zu vergleichen.
 

Keine Verpflichtung zur Löschung der Grundschuld

Auch die Verurteilung der Beklagten zur Löschung der Grundschuld sah der Senat als rechtswidrig an, mit den folgenden Erwägungen:
 
  • Kein Bereicherungsanspruch: Zwar hat die Beklagte zu 1) als Nichtberechtigte dem Kläger gegenüber wirksam über das Grundstück verfügt, da die Bank der Beklagten die Grundschuld gutgläubig erworben hat. Ein Bereicherungsanspruch nach § 816 Abssatz 1 Satz 1 BGB ist dem Senat zufolge aber ausgeschlossen, weil die Beklagte zu 1) durch die Verfügung im Sinne dieser Norm nicht die Grundschuld, sondern nur die Sicherung ihres Darlehens erlangt hat.
  • Kein Schadenersatzanspruch: Ebenso wenig hat der Kläger einen Schadensersatzanspruch aus §§ 989 f. BGB, denn die Beklagten waren zum Zeitpunkt der Bestellung und der Eintragung der Grundschuld im Jahr 2011 noch gutgläubig und nicht verklagt.
 

Nutzungsersatz

In Bezug auf den Nutzungsersatz ließ der Senat das Berufungsurteil unbeanstandet.
 

Wie es weitergeht

Aufgrund der Zurückverweisung muss die Vorinstanz nun weitere Feststellungen  zu den Verwendungen der Beklagten treffen.
 
Quelle: PM des BGH vom 14.03.2025 zum Urteil vom selben Tag – V ZR 153/23


Handbuch Immobilienrecht

Autoren: Dennis Berling, Dr. Rainer Burbulla, Prof. Dr. Thomas Finkenauer, Raymond Halaczinsky

Die Sanierung ist abgeschlossen: In Zeiten des „Beton-Goldes“ ist ein verlässlicher Partner im Immobilienrecht, der eine Grundlage für kluge Entscheidungen bietet, selbst Gold wert: Der Schreiber/Ruge (Hrsg.) behandelt konsequent das, was für Sie in der täglichen Arbeitspraxis relevant und wichtig ist. In 18 übersichtlichen Kapiteln, meinungsstark und sehr gut verständlich. Das Berliner Handbuch Immobilienrecht - in 4. Auflage!

Die Autoren sind allesamt versierte und auf ihrem jeweiligen Fachgebiet anerkannte Experten. Sie kommen den Ansprüchen der Praxis nach pragmatischen Lösungsansätzen entgegen, ohne dabei wissenschaftliche Aspekte zu vernachlässigen.

  • Grundstücksrecht, Kreditsicherung, Grundbuchrecht, steuerrechtliche Bezüge und Zwangsvollstreckungsrecht sind in grundlegenden Beiträgen zu den jeweiligen Teilrechtsgebieten dargestellt, die auch Zugriff auf aktuelle Rechtsprechung und Literatur zu Einzelfragen eröffnen.
  • Mietrecht, Wohnungseigentumsrecht und Maklerrecht werden wegen ihrer aktuellen Brisanz bzw. neuen, in Fachkreisen zurzeit vieldiskutierten Gesetzgebungsvorhaben in vertiefenden Beiträgen behandelt.
  • NEU: Der Wertermittlung von Immobilien widmet sich das in der 4. Auflage hinzugekommene Kapitel 18, weil das Thema in vielfältigen juristischen Bezügen von großer praktischer Bedeutung ist und dennoch für viele eine Terra incognita.
  • Öffentliches Baurecht und das Enteignungsrecht mit seinen verfassungsrechtlichen Bezügen werden neben dem privaten Immobilienrecht ebenfalls erörtert.

Fazit: In der sich rasch ändernden Landschaft des Immobilienrechts ist das Handbuch für alle Praktiker eine nützliche Arbeitshilfe und in seiner Art und Form konkurrenzlos!

Verlagsprogramm Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht


Fehlerhafte Zwangsversteigerung  05.07.2023
OLG Brandenburg zu den Pflichten des Ersteigerers eines Grundstücks bei fehlerhafter Zwangsversteigerung

Zwangsversteigerungen von Grundstücken unterliegen zwar einem strengen staatlichen Verfahren, dennoch können auch diese fehlerhaft sein – mit fatalen Folgen für den Ersteigerer. Dies zeigt ein aktuelles Urteil des Brandenburgischen OLG, auch als OLG Brandenburg bekannt. mehr …


(ESV/bp)

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht