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BGH: Keine Störerhaftung mehr für Betreiber von WLAN-Hot-Spot – aber Sperrpflicht möglich (Foto: FotoIdee/Fotolia.com)
Störerhaftung von Hotspotbetreibern

BGH zur Störerhaftung bei offenem WLAN-Hotspot und „Tor-Exit-Node“

ESV-Redaktion Recht
26.07.2018
An der Störerhaftung der Betreiber von öffentlichen WLAN-Hotspots scheiden sich trotz der Reform von 2017 noch immer die Geister. Klarheit erhofften sich viele von dem heutigen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). Doch ob die Entscheidung wirklich weiterhilft, ist zu bezweifeln.
Die Klägerin hält die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel „Dead Island“. Der Beklagte betreibt fünf WLAN-Hotspots und zwei sogenannte „Tor-Exit-Nodes“. Über die Anschlüsse des Beklagten wurden unstreitig mehrere Urheberrechtsverletzungen begangen, indem das Computerspiel der Klägerin über Tauschbörsen zum Download bereitgehalten und auch heruntergeladen wurde. Die Instanzgerichte konnten allerdings nicht aufklären, ob die Rechtsverletzungen über einen der WLAN-Hotspots oder das TOR-Netzwerk begangen wurden. Hierfür hatte die Klägerin den Beklagten erfolglos abgemahnt.

Vorher hatte sie ihn bereits zweimal wegen Rechtsverletzungen abgemahnt, die 2011 über seinen Internetanschluss begangen wurden und sich auf andere Werke bezogen.

Beklagter: Rechtsverletzungen haben Dritte begangen

Der Beklagte meinte, dass er selbst keine Rechtsverletzungen begangen habe. Diese seien ausschließlich von Dritten begangen worden. Er selbst betreibe unter seiner IP-Adresse lediglich fünf öffentlich zugängliche WLAN-Hotspots sowie zwei eingehende Kanäle aus dem TOR-Netzwerk. Als Betreiber wäre er kein Störer und nicht dazu verpflichtet, Sicherheitsmaßnahmen, wie zum Beispiel Passwörter, einzurichten.

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OLG Düsseldorf: Beklagter ist Störer

Das Landgericht (LG) Düsseldorf hat der Klage stattgegeben. Die Berufungsinstanz – das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf – hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben, Dritte daran zu hindern, die Computersoftware über eine Tauschbörse seiner Internetanschlüsse ganz oder zum Teil der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Nach Auffassung des OLG haftet der Beklagte als Störer, und zwar unabhängig davon, ob die Rechtsverletzungen über einen offenen WLAN-Hotspot des Beklagten oder von dessen Tor-Exit-Node begangen werden. Der Beklagte, so die Düsseldorfer Richter weiter, hätte es pflichtwidrig unterlassen, seinen Internetanschluss gegen die missbräuchliche Nutzung durch Dritte zu schützen. Hiergegen wendete sich der Beklagte mit einer Revision, die das Berufungsgericht auch zugelassen hatte.

Das „Tor-Netzwerk“
Tor ist ein Anonymisierungs-Netzwerk. Dieses soll dem Internetnutzer ermöglichen, unerkannt im Internet zu surfen. Notwendig hierfür ist ein sogenannter Tor-Client, der eine Verbindung zu dem Netzwerk herstellt sowie ein Tor-Browser. Beides können sich die Nutzer kostenlos aus dem Netz herunterladen. 

BGH: Klägerin hat möglicherweise Sperranspruch aus § 7 Absatz 4 TMG

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat die Entscheidung des OLG Düsseldorf, soweit diese den Unterlassungsanspruch betrifft, aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen.

Soweit die Revision gegen die Zuerkennung der Abmahnkostenforderung gerichtet war, hat der BGH diese zurückgewiesen.

Dem I. Zivilsenat zufolge haftet der WLAN-Betreiber und Betreiber eines Tor-Exit-Nodes zwar nicht mehr als Störer für Rechtsverletzungen Dritter. Allerdings kommt dem Senat zufolge ein Sperranspruch des Rechtsinhabers nach § 7 Absatz 4 TMG in Betracht. Die tragenden Gründe:
  • Haftung nach alter Rechtslage gegeben: Ursprünglich, so der Senat, habe der Beklagte seine Pflichten als Störer verletzt. So habe er es pflichtwidrig unterlassen, sein WLAN durch Verschlüsselung zu sichern. Soweit er seinen Anschluss privat bereitgestellt hatte, bestand diese Pflicht bereits ab Inbetriebnahme des Anschlusses. Im Rahmen einer gewerblichen Bereitstellung wäre er zu Sicherungsmaßnahmen verpflichtet gewesen, weil er schon vorher darauf hingewiesen worden war, dass über seinen Internetanschluss im Jahr 2011 Urheberrechtsverletzungen durch Filesharings begangen worden waren. Dies gilt dem Richterspruch zufolge auch, wenn die Rechtsverletzung über den Tor-Exit-Node begangen wurde. So habe es der Beklagte unterlassen, der ihm bekannten Gefahr des Filesharings durch technische Sicherungen entgegenzuwirken. 
  • Haftungsprivilegierung für gewerbliche WLAN-Betreiber durch Neuregelung von 2017: Dennoch habe der Senat die Verurteilung zur Unterlassung wegen der Neufassung von § 8 Absatz 1 Satz 2 TMG – diese gilt seit 13.10.2017 - aufheben müssen. Nach dieser Norm haftet der Vermittler eines Internetzugangs nicht mehr für rechtswidrige Handlungen seiner Nutzer auf Unterlassung. Insoweit komme es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Revisionsentscheidung an, so der Senat weiter.
  • Sperranspruch nach § 7 Absatz 4 TMG nicht ausgeschlossen: Allerdings ist nach Auffassung des Senats ein Sperranspruch des Rechtsinhabers nach § 7 Absatz 4 TMG n.F. zu prüfen. Diese Norm wäre richtlinienkonform dahin fortzubilden, dass der Sperranspruch auch gegenüber den Anbietern drahtgebundener Internetzugänge geltend gemacht werden könne, meinen die Richter aus Karlsruhe.
  • Keine Beschränkung des Sperranspruchs: Zudem wäre der Anspruch auf Sperrmaßnahmen nicht auf bestimmte Sperrmaßnahmen beschränkt. Dieser könne auch die Pflicht zur Nutzerregistrierung, zur Verschlüsselung des Zugangs oder - im äußersten Fall - zur vollständigen Sperrung des Zugangs erfassen. Diese Fragen hat nun das OLG Düsseldorf zu prüfen.  
Quelle: PM des BGH vom 26.07.2018 zum Urteil vom selben Tag – AZ: I ZR 64/17

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  • Anwendungsbereich des Telemediendatenschutzes,
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(ESV/bp)

Programmbereich: Wirtschaftsrecht