
BGH zur Beweislast bei der Haftung des WLAN-Betreibers
Vorinstanzen uneinig
Das Landgericht Köln hatte die Klage abgewiesen. Dier hiergegen gerichtete Berufung der Klägerinnen zum Oberlandesgericht Köln war weitgehend erfolgreich. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts abgeändert und den Beklagten in großen Teilen antragsgemäß verurteilt. Gegen diese Verurteilung legt der Beklagte Revision zum BGH ein. Die Revision hatte nur wegen eines Teils der ausgeurteilten Prozesszinsen und eines Teils der Kosten Erfolg, die auf den Beklagten entfallen sollten. Im Übrigen sah der BGH die Revision als unbegründet an.BGH: Beweislast liegt grundsätzlich beim Anspruchsteller
Dem Bundesgerichtshof zufolge tragen die Anspruchsteller grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs. Allerdings spreche eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten.Diese wird wieder ausgeschlossen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. Dabei hat der BGH betont, dass die bloße Behauptung des Anschlussinhabers, dass auch Dritte seinen Anschluss für die Rechtsverletzung benutzt haben könnten, die Täterschaft des Anschlussinhabers nicht ausschließt.
Wann der Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast hat
Behauptet der Anschlussinhaber also, dass auch Dritte den Anschluss hätten nutzen können, tritt an die Stelle der Vermutung eine sekundäre Darlegungslast für den Inhaber. Diese führt dem BGH zufolge zwar nicht zu einer Umkehr der Beweislast.Der Anschlussinhaber genügt dieser Darlegungslast aber nur dadurch, dass er vorträgt, ob und gegebenenfalls welche anderen Personen zum Tatzeitpunkt einen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Insoweit müsse der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren Nachforschungen anstellen und die Kenntnisse mitteilen, die er hierbei erworben hat.
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Konkrete Situation zur Zeit der Rechtsverletzung entscheidend
Hierbei kommt es dem Gericht zufolge aber nicht auf die generelle Zugriffsmöglichkeit der dritten Personen an. Vielmehr ist auf die konkrete Situation im Verletzungszeitpunkt abzustellen. Seiner Darlegungslast wird der Inhaber eines Internetanschlusses also erst gerecht, wenn er nachvollziehbar vorträgt, welche Personen mit Rücksicht auf deren Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten zu welchem Zeitpunkt Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen.Die lediglich pauschale Behauptung des Beklagten, der bloß die theoretische Möglichkeit eines Zugriffs von weiteren Personen vorgetragen hatte, die im Haushalt des Beklagten leben, reicht dem BGH zufolge hierfür nicht aus.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durften die Kinder den betreffenden Internetanschluss jeweils nur eine halbe Stunde pro Tag nutzen. Diese zeitliche Begrenzung wurde eingehalten. Zudem ging das Berufungsgericht nach Auffassung des BGH davon aus, dass die Ehefrau des Beklagten die Kinder bei der Internetnutzung regelmäßig im Blick gehabt hat. Nach ihren Angaben bei der Beweisaufnahme hatte sie im Vorbeigehen immer mal wieder nachgeschaut, was die Kinder gerade am Rechner machten. Gelegentlich habe sie sich das auch erklären lassen. Zwar konnten die Kinder den Rechner gelegentlich auch außerhalb der zeitlichen Einschränkung. Im Regelfall hätten die Kinder aber gefragt, ob sie den Internet-Rechner benutzen dürfen.
Damit, so der BGH, habe das Berufungsgericht beanstandungsfrei angenommen, dass die Kinder des Beklagten nicht als Alleintäter der Rechtsverletzung in Betracht kommen.
Was daraus folgt
- Der BGH stellt damit hohe Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast. Hat der Anschlussinhaber Kinder, tut er gut daran, deren Aktivitäten möglichst genau im Blick zu behalten.
- Aber selbst dann, wenn ihm dies gelingt, ist seine Haftung noch nicht vom Tisch. Ist nicht auszuschließen, dass ein Familienmitglied als selbstständiger Täter in Frage kommt, muss der Anschlussinhaber darlegen und beweisen, dass er das betreffende Kind ausreichend über die Gefahren von Rechtsverletzungen belehrt und aufgeklärt hat. Von dieser Aufklärungspflicht wird er erst befreit, wenn die Kinder volljährig sind.
Update: Bundesverfassungsgericht bestätigt den BGH im Ergebnis
Inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Linie des Bundesgerichtshofs bestätigt. Danach hat das Interesse der Inhaber von Schutzrechten Vorrang gegenüber dem Recht auf Achtung der Familie. Mehr dazu lesen Sie hier:Anschlusshalterhaftung bei Urheberrechtverletzungen | 23.04.2019 |
BVerfG: Schweigen verhindert nicht die Haftung beim Filesharing | |
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Ist das Grundrecht auf Achtung der Familie verletzt, wenn Inhaber von Internetanschlüssen für Verletzungen des Urheberrechts haften, weil sie andere Familienmitglieder schützen wollen? Hierüber hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aktuell entschieden. mehr … |
18.12.2019 - BGH entwickelt ähnliche Grundsätze zur Haftung des Fahrzeughalters |
Inzwischen hat der VII. Senat des BGH ähnliche Grundsätze zu der Frage entwickelt, wann der Halter eines Kraftfahrzeuges für erhöhte Parkgebühren haften kann, wenn er sein Fahrzeug nicht selber auf dem betreffenden Parkplatz abgestellt hat. Mehr dazu finden Sie hier! |
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Weiterführende Literatur |
Das Berliner Handbuch Urheberrecht, herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Marcel Bisges, bietet eine umfassende Darstellung des Urheberrechts. Dabei geht das Werk vor allem auf die Aspekte ein, die für die Praxis wesentlich sind. Besonders hervorzuheben sind die digitalen Verwertungsmöglichkeiten. Der Berliner Kommentar TKG berücksichtigt alle einschlägigen Rechtsentwicklungen im Telekommunikationsgesetz und bereitet sie auf Grundlage der aktuellen Entscheidungspraxis der Bundesnetzagentur und der Gerichte praxisorientiert und anschaulich auf. Mit ihrem Werk WLAN und Recht zeigen die Autoren Dr. Thomas Sassenberg und Dr. Reto Manz die je nach Betreibermodell entstehenden Rechtsfragen und daraus resultierende Handlungsoptionen. Nach einer allgemeinen und einer technischen Einführung werden die aus dem Telekommunikationsrecht für den Betreiber folgenden Anforderungen dargelegt. |
(ESV/bp)
Programmbereich: Wirtschaftsrecht