
Entschädigung des Reiseveranstalters nach Stornierung wegen Corona: BGH ruft EuGH an
Keine Einigkeit bei den Instanzgerichten
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BGH: Auslegung von § 651 h Absatz 3 BGB ungeklärt
- Entschädigungsanspruch als regelmäßige Folge einer Stornierung: Ein Anspruch auf Entschädigung des Veranstalters ist dem Senat zufolge zwar die regelmäßige Folge eines Reiserücktritts.
- Aber – Anspruch auf Entschädigung kann bei erheblichen Reisebeeinträchtigungen entfallen: Nach § 651h Absatz 3 BGB entfällt der Anspruch allerdings, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe erhebliche Beeinträchtigungen vorliegen. Hierunter sind unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände zu verstehen, die die Reise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.
- Zurückverweisung an Vorinstanz im Raum – Berufungsgericht hat Reisebeeinträchtigungen vor Rücktrittserklärung nicht geprüft: Nach Meinung der Berufungsinstanz waren zum Zeitpunkt des Rücktritts erhebliche Beeinträchtigungen der Reise nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit absehbar. Diese Bewertung bezweifelt der Senat. Die Vorinstanz, so der Senat weiter, habe nämlich die Frage außer Acht gelassen, ob nicht schon die ungewöhnlichen Maßnahmen bis zum 01.03.2020 ausreichende Anhaltspunkte für eine erhebliche Infektionsgefahr begründet haben. Demnach wäre die Sache zur weiteren Sachaufklärung an die Berufungsinstanz zurückzuverweisen.
- Wann die Zurückverweisung nicht in Betracht kommt: Eine Zurückverweisung ist laut Senat aber nicht erforderlich, wenn der Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters auch wegen des Einreiseverbots ab dem 26.03.2020 ausgeschlossen wäre. Dieses Verbot trat zwar erst nach der Rücktrittserklärung in Kraft. Allerdings tendiert der Senat zu der Meinung, dass auch solche Umstände zu berücksichtigen sind, die erst nach dem Rücktritt entstehen. Weil die europarechtliche Auslegung von § 651 h Absatz 3 BGB, der Artikel 12 Absatz 2 der Pauschalreise-Richtlinie (siehe unten) umsetzt, bislang aber insoweit ungeklärt ist, haben die Karlsruher Richter den EuGH befragt – auch aufgrund einer Vorlage des österreichischen Obersten Gerichtshofs vom 25. Januar 2022 (8 O b1 30/21g).
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Im Wortlaut: § 651h BGB Absätze 1 und 3 – Rücktritt vor Reisebeginn |
(1) Vor Reisebeginn kann der Reisende jederzeit vom Vertrag zurücktreten. Tritt der Reisende vom Vertrag zurück, verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Der Reiseveranstalter kann jedoch eine angemessene Entschädigung verlangen. [...] (3) Abweichend von Absatz 1 Satz 3 kann der Reiseveranstalter keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Umstände sind unvermeidbar und außergewöhnlich im Sinne dieses Untertitels, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären. |
Artikel 12 Pauschalreise-Richtlinie Absätze 1 und 2 – Beendigung des Pauschalreisevertrags und Recht zum Widerruf vor Beginn der Pauschalreise |
(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Reisende vor Beginn der Pauschalreise jederzeit vom Pauschalreisevertrag zurücktreten kann. Tritt der Reisende gemäß diesem Absatz vom Pauschalreisevertrag zurück, so kann der Reiseveranstalter die Zahlung einer angemessenen und vertretbaren Rücktrittsgebühr verlangen. […] (2) Ungeachtet des Absatzes 1 hat der Reisende das Recht, vor Beginn der Pauschalreise ohne Zahlung einer Rücktrittsgebühr vom Pauschalreisevertrag zurückzutreten, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. |
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(ESV/bp)
Programmbereich: Wirtschaftsrecht