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Den Begriff „Digital Native“ hatte Marc Prensky im Jahr 2001 geprägt. Er wollte damit die Generation von Menschen beschreiben, die mit digitalen Technologien – wie etwa Laptop und PC – aufwachsen, so das LAG Baden-Württemberg (Foto: BalanceFormCreative / stock.adobe.com)
Entschädigung wegen Altersdiskriminierung

LAG Baden-Württemberg: Stellenanzeigen, mit denen „Digital Natives“ gesucht werden, sind diskriminierend

ESV-Redaktion Recht
09.04.2025
Ist die Bezeichnung „Digital Native“ in einer Stellenanzeige diskriminierend, weil sie sich an jüngere Bewerber richtet? Mit dieser Frage hat sich das LAG Baden-Württemberg in einem kürzlich veröffentlichten Urteil auseinandergesetzt und eine Entscheidung der Vorinstanz bestätigt.
In Streitfall schaltete die Beklagte – ein international agierendes Handelsunternehmen für Sportartikel – im April 2023 eine Stellenanzeige unter anderem mit folgendem Inhalt:

„Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der Daten-getriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause“.

Unter der Überschrift „WIR BIETEN“ findet sich in der Stellenanzeige die weitere folgende Formulierung:
 
„Miss dich mit interessanten und herausfordernden Aufgaben in einem dynamischen Team mit attraktiver Vergütung und Chancen zur beruflichen Entwicklung“.

sowie
 
„Du bist ein absoluter Teambuddy …“

 
Die Anzeige erschien auf zahlreichen Internetplattformen, unter anderem auf stepstone, LinkedIn oder Xing.
 
Der 1972 geborene Kläger – ein abgelehnter Bewerber und Diplom-Wirtschaftsjurist – sah in der Ablehnung eine Benachteiligung wegen seines Alters. Nach seiner Auffassung ist der Begriff „Digital Native“ in etwa wie „digitaler Eingeborener“ oder „digitaler Ureinwohner“ zu verstehen. Somit gehören „Digital Natives“ zu einer Generation, die schon als Kind die digitale Sprache von Computer, Videospielen und Internet benutzt hat. Weil die Beklagte somit direkt auf das Merkmal „Alter“ abgezielt habe, hätte sie  mit ihrer Stellenausschreibung gegen § 11 AGG verstoßen. Nach weiterer Auffassung des Klägers ist daher zu vermuten, dass er wegen seines Alters benachteiligt wurde.
 
Von der Beklagten verlangte er daher eine Entschädigung von 37.500,00 EUR zuzüglich Zinsen. Dabei legte er fünf Monatsvergütungen von je 7.500,00 € zugrunde. Das von ihm angesetzte Monatsgehalt ist ihm zufolge für eine Position der ausgeschriebenen Stelle üblich.
 
Weil die Beklagte dies ablehnte, zog der Bewerber mit einer Klage vor das ArbG Heilbronn. Die Ausgangsinstanz verurteilte die Beklagte allerdings nur zu einer Entschädigung von 7.500 EUR, was rund einem 1,5-fachen des Monatsgehalt entsprach, das für streitgegenständliche Stelle üblich wäre. Gegen das erstinstanzliche Urteil wendete sich die Beklagte dann mit einer Berufung an das LAG Baden-Württemberg.  

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LAG Baden-Württemberg: Kläger wurde unmittelbar benachteiligt


Die 17. Kammer des LAG Baden-Württemberg schloss sich der Auffassung der Vorinstanz an. Der Kammer zufolge wurde der Kläger wegen seines Alters unmittelbar benachteiligt. Die wesentlichen Überlegungen der Kammer:

  • Wortfolge „Digital Native“ knüpft an Lebensalter an: Mit dem Begriff „Digital Native“ hat die Beklagte unmittelbar an das Lebensalter angeknüpft. Zutreffend lässt sich dieser Begriff mit „digitaler Eingeborener“ oder „digitaler Ureinwohner“ übersetzen. Den Begriff hatte Marc Prensky im Jahr 2001 geprägt, weil er die Generation von Menschen beschreiben wollte, die mit digitalen Technologien wie Computern, dem Internet und anderen mobilen Geräten aufgewachsen sind. Damit wollte er diese von der Generation der sogenannten „Digital Immigrants“ abgrenzen – der älteren Generation, die nicht mit diesen Technologien groß geworden ist. Auch laut dem Duden ist ein „Digital Native“ eine „Person, die mit digitalen Technologien aufgewachsen ist und daher in der Benutzung geübt ist". Ähnlich umschreibt Wikipedia diesen Begriff. Damit kommt es der Kammer zufolge nicht nur auf die besonderen Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Technologien an. Vielmehr ist entscheidend, dass der „Digital Native“  in die digitale Welt hineingeboren wurde. Eine Alters- oder Generationenbezug kann dem Begriff daher nicht abgesprochen werden, meint die Kammer weiter.
  • Gleiche Intention in der Stellenanzeige: Der gleiche Sinn ergibt sich auch aus der Formulierung in der Stellenausschreibung der Beklagten. So sollte man ein bei einem durchschnittlichen Bewerber für die Stelle eines „Manager Corporate Communications“ davon ausgehen können, dass ihm neben englischen Sprache auch Begrifflichkeiten wie „Digital Native“ und „Digital Immigrant“ bekannt sind.
  • Verstärung der Zielsetzung durch Verknüpfung mit weiteren Wortfolgen: Zudem wird die Bezugnahme auf das Alter durch Begriffe, wie „absoluter Teambuddy“ und die den Bewerbern gebotene Aufgabe in einem „dynamischen Team“ weiter verstärkt. So richtet sich die Ansprache „Teambuddy“ mehr an jüngere als an ältere Bewerberinnen und Bewerber. Ebenso beschreibt die Wortfolge „dynamisch“ eine Eigenschaft, die allgemeinen eher jüngeren Personen zugeschrieben wird.
  • Kläger vor Etablierung des Begriffs „Digital Native“ geboren: Der Kläger, der 1972 geboren wurde, ist kein „Digital Native“ im benannten Sinne. Hierbei ließ die Kammer offen, ob das Jahr 1981 den Beginn der Jahrgänge der „Digital Natives“ markiert. Zunächst finden sich laut Kammer keine ernst zu nehmenden Stimmen mit der Ansicht, nach der schon Jahrgänge vor 1980 den „Digital Natives“ angehören. Dies sei schon deshalb nachvollziehbar, weil zum Beispiel Microsoft erst 1975 gegründet wurde und der MITS Altair 8800 aus dem Jahr 1975 als der erste PC gilt. Auch der Apple I wurde erst 1976 entwickelt.
Die Kammer hat die Revision zum BAG nicht zugelassen, weil sie keine Gründe im Sinne von § 72 Absatz 2 ArbGG sah. Nach ihrer Auffassung hat sie höchstrichterliche Rechtssätze angewendet, die auf den konkreten Einzelfall waren. Gegen die Berufungsentscheidung hat die Beklagte inzwischen unter dem AZ: 8 AZN 97/25 eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

Quelle: Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 07.11.2024 – 17 Sa 2/24 (juris)
 


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