
„Medien haben lediglich Werkzeugcharakter“
Rainer E. Wicke: Nach wie vor ist das Lehrwerk eine wichtige Grundlage für den Unterricht, denn es bietet den Lehrkräften und vor allen Dingen auch den Schüler/-innen eine nicht zu unterschätzende Hilfestellung bei der Planung und Gestaltung ihres Fremdsprachenunterrichts. Im Gegensatz zu den Lehrwerken der siebziger /achtziger Jahre kann heute mit gutem Gewissen behauptet werden, dass die Lehrwerkautoren sich bemühen, für die jeweilige Klientel ansprechende Inhalte zu berücksichtigen, die die Alltagswelt der Zielkultur widerspiegeln. Wichtig ist jedoch, dass die Lehrkräfte erkennen, welche Möglichkeiten der Erweiterung und /oder Ergänzung sich bei der Nutzung dieses Mediums bieten und sie sich nicht sklavisch an die vorgegebenen Inhalte und die Progression halten.
Wie werden Lehrwerke in 20 oder 50 Jahren aussehen?
Rainer E. Wicke: Sicherlich werden die digitalen Medien dazu beitragen, dass sich auch die Lehrwerke entsprechend verändern werden, indem sie den Nutzenden Gelegenheit dazu geben, sich dieser Medien zu bedienen. Ich bin jedoch sicher, dass es auch in Zukunft noch Printmaterialien geben wird, die gern und oft genutzt werden. Die Verfügbarkeit von Clouds, auf denen Informationen und Lerninhalte gespeichert werden, die Nutzung von Powerpoint und anderen Medien darf und wird z. B. nicht dazu führen, dass bestimmte Grundlagen und handwerkliche Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht mehr gelehrt und genutzt werden. Zudem bezweifle ich, dass es in Zukunft möglich sein wird, weltweiten Zugang zu gutem Internet sicherzustellen.
Welchen Einfluss hat die zunehmende Digitalisierung auf Lehrwerke?
Rainer E. Wicke: Es steht einwandfrei fest, dass die durch die Digitalisierung zur Verfügung stehenden Instrumente den Fremdsprachenunterricht bereichern, indem neue Werkzeuge in den Mittelpunkt der Arbeit gestellt werden. Die Erstellung von Wortwolken erleichtert z. B. die gezielte Wortschatzarbeit. Es ist auch erwiesen, dass die von den Lernenden genutzten Geräte sich auch als Tools für die eigene Recherche eignen. Gerade im Bereich des aufgaben- und projektorientierten Lernens bieten sich hier Möglichkeiten, die teilweise ja auch schon sinnvoll in den Lehrwerken eingesetzt werden. Aber hier gilt auch die Maxime, dass die Medien lediglich Werkzeugcharakter haben, sie ersetzen weder das Lehrbuch noch die Lehrenden.
Fremdsprache Deutsch, Heft 65: Arbeit mit Lehrwerken | 21.10.2021 |
Lernvideos für abwechslungsreichen Unterricht | |
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Videos ersetzen immer mehr Texte. Eine spezielle Art sind Lernvideos, die gerne im Unterricht eingesetzt werden. Wie sieht die Arbeit mit solchen Videos aus? Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Artikel <a href="https://fremdsprachedeutschdigital.de/ce/lehrwerkinhalte-kreativ-in-szene-setzen/_sid/MOVX-083589-cFSs/detail.html">Lehrwerkinhalte kreativ in Szene setzen</a> von Eva Zick, erschienen in <a href="https://www.esv.info/978-3-503-20583-7">Fremdsprache Deutsch, Heft 65</a>. mehr … |
Kann ein gutes Lehrwerk eine schlechte Lehrkraft verbessern? Und umgekehrt, kann eine gute Lehrkraft ein schlechtes Lehrwerk verbessern?
Rainer E. Wicke: Ein Lehrwerk, das die Lehrkräfte „an die Hand nimmt“, indem es ihnen verdeutlicht, welche Möglichkeiten sich rasch und unkompliziert mit seiner Hilfe nutzen lassen, wird sicherlich auch dazu führen, dass Lehrkräfte sich Erfolgserlebnisse verschaffen können. Sie müssen sich aber bereitwillig auf neue und bisher nicht vertraute Inhalte und Methoden einlassen. Ohne die Bereitschaft, ständig hinzuzulernen, vergessene Dinge wieder in Erinnerung zu rufen und auch nicht bewährte Methoden zu „verlernen“, wird es jedoch kaum möglich sein, Lehrkräfte neue Pfade betreten zu lassen.
Was erwartet uns in Heft 65 von Fremdsprache Deutsch?
Rainer E. Wicke: Das Autorenteam hat sich bemüht, in diesem Heft ganz bewusst den Fokus auf den Unterricht in der Sekundarstufe zu legen und dabei möglichst viele Aspekte zu berücksichtigen, die für uns Lehrkräfte immer wieder wichtig sind. Das beginnt bei der Lehrwerksauswahl, bei der Einführung eines neuen Lehrwerks, der Begleitung der Arbeit, aber auch der Anleitung zur Lehrwerkserweiterung und -ergänzung. Hinzu kommen noch wichtige Faktoren wie der Einsatz und die Anfertigung von Videos. Das Heft thematisiert zudem die Rolle der Literatur im Unterricht. Auch die Digitalisierung und Formen des Blended Learning werden nicht außer Acht gelassen.
Was ist Ihr persönlicher Tipp für guten Unterricht? Was bedeutet überhaupt guter Unterricht?
Rainer E. Wicke: Ein guter Unterricht wird von Lernendenseite aus geplant, indem ich als Lehrkraft nicht ausschließlich an der Erreichung von messbaren Lernzielen und Kompetenzen interessiert bin, sondern ständig hinterfrage, wie ich mein Lernangebot so gestalten kann, dass alle Schüler/-innen die Chance haben, davon profitieren zu können. Das setzt zum einen voraus, dass ich ein binnendifferenzierendes Angebot mache. Andererseits bemühe ich mich im Rahmen des fächerübergreifenden Ansatzes auch, solche Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen abzurufen, die latent bei den Schüler/-innen im kreativen Bereich vorhanden sind und die sie gewinnbringend einbringen können.
Entscheidend ist, dass ich kein Schul-, sondern Handlungswissen vermittele, das den Schüler/-innen dabei hilft, sich im Sinne der Teilhabe in gesellschaftlichen Prozessen einzubringen. Dies schaffen sie, wenn sie erkennen, dass sie ihre Kenntnisse aktiv in solchen Zusammenhängen im außerschulischen Bereich einsetzen können.
Rainer E. Wicke |
Freier Lehrerfortbilder mit den Arbeitsschwerpunkten aufgabenorientierter, kreativer und schülerzentrierter Deutschunterricht, Literatur im Deutschunterricht, fächerübergreifender Deutschunterricht, Musik und Kunst, Projektunterricht. |
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Fremdsprache Deutsch Heft 65 (2021): Arbeit mit Lehrwerken Im Heft 65 zum Thema „Lehrbuch“ wird ein wichtiges, vielleicht sogar das wichtigste Medium im fremdsprachigen Deutschunterricht behandelt. Die Themen und Inhalte eines Lehrbuchs prägen die tägliche Arbeit einer Lehrkraft maßgeblich, denn sie geben einen Rahmen vor, der die Arbeit im Klassenzimmer bestimmt. |
Programmbereich: Deutsch als Fremdsprache