Neues von den Gerichten zu Sperrstunden und Alkoholverboten
Antragsteller: RKI zählt keine besonders hohen Fallhäufungen in Gastronomien
VG Berlin: Sperrstunde neben Alkoholverbot nicht erforderlich
- Gaststätten nicht ausschlaggebend für hohe Dunkelziffer: Zwar sei ein Großteil der Ansteckungsketten nicht mehr nachvollziehbar. Trotzdem gebe es keinen Anhaltspunkt dafür, dass Gaststätten einen besonders großen Teil des „Dunkelfelds“ ausmachen sollen.
- Gastronomen beachten Hygienemaßnahmen: Auch könne der Berliner Senat sich nicht darauf berufen, dass die Maßnahmen schwer zu kontrollieren seien. Es gäbe keine ausreichenden Hinweise darauf, dass die Gastronomen sich nicht an die Einschränkungen halten würden.
OVG Berlin-Brandenburg: Gaststätten haben keinen wesentlichen Anteil am Infektionsgeschehen
Diesem Antrag hat der 1. Senat des OVG Berlin-Brandenburg nicht entsprochen. Nach Auffassung des Senats haben Gaststätten keinen wesentlichen Anteil am Infektionsgeschehen. Dies ist für die involvierten Gastwirte ein weiterer Etappensieg. Bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Beschwerde des Berliner Senats dürfen deren Gaststätten also über die Sperrstunde hinaus offenbleiben. Das Ausschenkverbot für Alkohol ab 23 Uhr bleibt allerdings. Weitere andere Gastronomen haben nun ebenfalls gerichtliche Schritte angekündigt.
Weitere Gerichte entschieden ähnlich
- Auch vor dem VG Osnabrück war der Eilantrag eines Gastronomen gegen Sperrstunde erfolgreich – Quelle: PM des VG Osnabrück vom 23.10.2020 zum Beschluss vom selben Tag – 3 B 75/20
- Ebenso schloss sich das OVG Saarlouis diesem Ergebnis nach einer Pressemeldung vom 28.10.2020 zum Verfahren 2 B 296/20 an.
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VGH München: Alkoholverbot im öffentlichen Raum zu pauschal
- Örtliche Beschränkung auf Hotspots: Die Verfügung ist unverhältnismäßig, weil eine Konzentrierung des Alkoholverbots ebenso dazu geeignet ist Infektionsgefahren zu mindern, aber der mildere Eingriff sei.
- 7-Tage-Inzidenz nicht im IfSG verankert: Auch wenn das Verbot nur für 7 Tage gelten sollte, so schränke es doch eine Vielzahl von Menschen ein und sei damit ein schwerer Eingriff in die Freiheitsrechte, begründet das Gericht weiter. Ebenso bemängelte es den Anhaltswert von 35 Personen, ab dem die Stadt eine Erforderlichkeit begründete, weil dieser weder auf einer wissenschaftlichen Erkenntnis beruht, noch im IfSG verankert ist.
Aber – VGH München lehnt Eilantrag gegen Sperrstundenregelungen und Beschränkung des Teilnehmerkreises an privaten Feiern in Hotspots ab
Der Senat bezweifelt jedoch, dass die Sperrstundenregelung und die Beschränkung der Teilnehmer bei privaten Feiern mit dem Parlamentsvorbehalt und dem Bestimmtheitsgebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG vereinbar sind. Demnach verpflichtet das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratiegebot den Bundesgesetzgeber dazu, die Regelungen, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgebend sind, selbst zu treffen. Diese dürften nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen werden. Da mit den angegriffenen Maßnahmen intensive und mittlerweile lange andauernde Grundrechtseingriffe verbunden sind, reichen die Verordnungsermächtigungen der §§ 28, 32 des IfSG eventuell nicht mehr ausm, so die Münchner Richter.
Quelle: PM des VGH München vom 29.10.2020 zum Beschluss vom selben Tag – 20 NE 20.2360
VGH Kassel: Sperrstunde ab 23 Uhr milderes Mittel im Vergleich zur Schließung
Quellen:
- PM des VGH Hessen vom 15.10.2020 zum Beschluss vom selben Tag – 6 B 2499/20
- PM des OVG Hessen vom 16.10.2020 zum Beschluss vom selben Tag – 6 B 2515/20
VGH Kassel: Ermessensfehler beim Landkreis Marburg-Biedenkopf
Quelle: PM des VGH Kassel vom 30.10.2020 zum Beschluss vom selben Tag – 6 B 2621/20
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Unterschiedliche Entscheidungen des VG Gießen
Der Landkreis hingegen will mit der Sperrstunde eine Verminderung der Kontakte erreichen. Die steigenden Infektionszahlen würden dies erforderlich machen. Die Maßnahme seien im Gegensatz zu einer Schließung das mildere Mittel.
Quelle: PM des VG Gießen vom 22.10.2020 zur Entscheidung vom selben Tag – 8 L 3610/20.GI
OVG Münster: Sperrstunde in NRW bleibt aufrecht
Das OVG Münster meint, dass die Verbote dem legitimen Zweck dienen, die Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus zu verlangsamen. Bei einer 7-Tage-Inzidenz von über 50 aufgrund könne die Weiterverbreitung aufgrund von fehlenden Nachverfolgungsmöglichkeiten außer Kontrolle geraten. Im Ergebnis entschied so auch das VG Karlsruhe: Quellen:
- PM des OVG Münster vom 26.10.2020 zur Entscheidung vom selben Tag – 13 B 1581/20.NE
- PM des VG Karlsruhe vom 26.10.2020 zur Entscheidung vom 23.10.2020 – 1 K 4274/20
VG Hamburg: Sperrstunde für Swingerclubs bleibt bestehen
VG Bremen: Keine Außervollzugesetzung der Sperrstunde
Im Rahmen seiner Folgenabwägung hat das Gericht daher berücksichtigt, dass die in der angegriffenen Allgemeinverfügung geregelte Sperrstunde nur noch bis zum Ablauf des 1.11.2020 gelten sollte. Demnach wären die zu erwartenden Umsatzeinbußen keine derart schwerwiegenden Beeinträchtigung für der Antragsteller. Damit hatte schwerwiegende öffentliche Interesse an einer möglichst schnellen Eindämmung des Infektionsgeschehens Vorrang gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der Gastwirte.
Quelle: PM des VG Bremen vom 30.10.2020 zum Beschluss vom selben Tag – 5 V 2381/20
VG Karlsruhe: Verlängerung der Sperrzeit rechtmäßig
In dem Streitfall hatte das Landratsamt Karlsruhe im Rahmen einer sofort vollziehbaren Allgemeinverfügung für das Gebiet des Stadtkreises Karlsruhe den Beginn der Sperrzeit für Gaststätten auf 23 Uhr vorverlegt. Gleichzeitig hatte die Behörde für Gaststätten ein Alkoholverkaufsverbot an Freitagen, Samstagen und vor Feiertagen von 22 Uhr bis 6 Uhr des Folgetages verfügt.
Quelle: PM des VG Karsruhe vom 30.10.2020 zur Entscheidung vom selben Tag – 3 K 4412/20, 3 K 4418/20
Lockdown light
- Für Unternehmen bis zu 50 Mitarbeitern beläuft sich der Erstattungsbetrag auf 75% des entsprechenden Umsatzes des Vorjahresmonats. Fixkosten sollen dabei pauschaliert werden.
- Größere Unternehmen erhalten Hilfen nach den Obergrenzen der beihilferechtlichen Vorgaben der EU. Die Finanzhilfen sollen insgesam ein Volumen von bis zu 10 Milliarden Euro haben.
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(ESV/jp/bp)
Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht