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Das OLG Frankfurt am Main war davon überzeugt, dass der Erblasser das von ihm verfasste Testament später selbst zerrissen hat (Foto: reinhard sester / stock.adobe.com)
Erbrecht

OLG Frankfurt: Zerrissenes Testament setzt gesetzliche Erbfolge in Gang

ESV-Redaktion Recht
14.05.2025
Bleibt ein Testament, das in einem Schließfach hinterlegt und in der Mitte durchgerissen wurde, noch wirksam oder gilt in diesem Fall die gesetzliche Erbfolge? Mit dieser Frage hat sich das OLG Frankfurt am Main aktuell beschäftigt.
In dem Rechtsstreit war der Erblasser in letzter Ehe kinderlos mit der Beteiligten zu 2) verheiratet. Nach seinem Tode beantragte die Beteiligte zu 2) einen Erbschein, weil sie meinte, gesetzliche Erbin geworden zu sein. Daraufhin erteilte das Nachlassgericht zwar den Erbschein, dieser wies aber neben der Antragstellerin auch die Mutter des Versorbenen als Erbin aus.

Zwei Monate später öffneten ein Vertreter der Mutter und die Beteiligte zu 2) das Schließfach des Erblassers. In diesem fanden sie ein handschriftliches Testament zu Gunsten des Beteiligten zu 1) vor. Allerdings war das Testament längs in der Mitte durchgerissen.

Daraufhin beantragte der Beteiligte zu 1) beim Nachlassgericht, den obigen Erbschein einzuziehen. Er meinte, dass er Alleinerbe geworden wäre. Sein Antrag hatte jedoch keinen Erfolg. Gegen die ablehnende Entscheidung des Nachlassgerichts zog er dann mit einer Beschwerde vor das OLG Fankfurt am Main.

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OLG Frankfurt am Main: Testament durch schlüssige Handlung widerrufen


Seine Beschwerde blieb vor dem 21. Zivilsenat des OLG Frankfurt ebenso ohne Erfolg wie sein ursprünglicher Antrag. Nach Auffassung des Senats konnte sich der Beteiligte zu 1) nicht auf das zerrissene Testament berufen. Dieses machte ihn also nicht zum testamentarisch eingesetzten Erben mit der Folge, dass die Beteiligte zu 2) und die Mutter des Verstorbenen gesetzliche Erben blieben. Die wesentlichen Erwägungen des Senats hierzu:

  • Widerruf des Testaments durch Zerreißen: Nach Senatsauffassung hat der Erblasser das betreffende Testament durch schlüssige Handlung widerrufen, indem er dieses zerriss und damit vernichtete (§ 2255 Satz 1 BGB, siehe unten).
  • Erblasser hat Testament persönlich zerrissen: Der Senat ging auch davon aus, dass der Erblasser das Testament selber zerrissen hat, weil nur er Zugang zum Bankschließfach hatte. Nach den Angaben der Personen, die beim Öffnen des Schließfachs anwesend waren, gab es auch keine Hinweise dafür, dass das Testament von einer dritten Person zerrissen wurde.
  • Gesetzliche Vermutung für absichtliches Zerreißen: Damit ist dem Senat zufolge nach § 2255 Satz 2 BGB (siehe unten) gesetzlich zu vermuten, dass der Widerruf mit entsprechender Absicht erfolgte.
  • Keine Vernichtung durch andere Einflüsse: Das Testament wurde auch nicht durch andere äußere Einflüsse in zwei Teile gerissen. Für diese Annahme spricht nach Meinung des Senats, dass das Papier in der Mitte getrennt wurde. Anhaltspunkte für anderweitiges Trennen des Schriftstücks – das ggf. durch ein Sachverständigengutachten aufzuklären wäre – sah der Senat nicht.
Zwar konnte der Senat nicht nachvollziehen, warum der Erblasser das zerstörte Testament weiterhin im Schließfach aufbewahrte. Dieser Umstand reicht aber nicht aus, um die obige gesetzliche Vermutung zu widerlegen. Aus 31 dokumentierten Öffnungen des Schließfaches schloss der Senat, dass der Erblasser das Fach nicht ausschließlich zur Aufbewahrung eines (ungültigen) Testaments benutzt hat. 

Der Beschluss kann nicht angefochten werden.

Quelle: PM des OLG Frankfurt am Main vom 13.05.2025 zum Beschluss vom 29.04.2025 – 21 W 26/25
 


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Im Wortlaut: § 2255 BGB – Widerruf durch Vernichtung oder Veränderungen 
1Ein Testament kann auch dadurch widerrufen werden, dass der Erblasser in der Absicht, es aufzuheben, die Testamentsurkunde vernichtet oder an ihr Veränderungen vornimmt, durch die der Wille, eine schriftliche Willenserklärung aufzuheben, ausgedrückt zu werden pflegt. 2Hat der Erblasser die Testamentsurkunde vernichtet oder in der bezeichneten Weise verändert, so wird vermutet, dass er die Aufhebung des Testaments beabsichtigt habe.


(ESV/bp)

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht