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Im Wesentlichen stellte das OLG Koblenz auf das positive Risiko-Nutzen-Verhältnis beim Impfstoff Comirnaty ab (Foto: MHP / stock.adobe.com)
Impfschaden

OLG Koblenz zum Schadensersatz aufgrund von Coronaimpfung

ESV-Redaktion Recht
11.07.2024
Für Gesundheitsschäden aufgrund einer Impfung kann prinzipiell auch der Hersteller des Impfstoffs haftbar gemacht werden. Die Hürden hierfür sind allerdings hoch, wie eine aktuelle Entscheidung des OLG Koblenz zeigt.
In dem Streitfall wurde die Klägerin mit dem Vakzin Comirnaty des Herstellers Biontech/Pfizer geimpft. Der Impfstoff hatte am 21.01.2020 eine bedingte zentrale arzneimittelrechtliche Zulassung erhalten. Die Standardzulassung folge am 10.10.2022. Ihre Erstimpfung erhielt die Klägerin am 31.08.2021, die zweite Impfung wurde ihr am 30.09.2021 verabreicht.


Klägerin: Impfung führte zu erheblich geringerer Belastbarkeit und weiteren Folgebeeinträchtigungen


Die Klägerin trug im Wesentlichen weiter vor, dass sie einige Tage nach ihrer ersten Impfung gegen Corona unter starken Kopfschmerzen litt, verbunden mit einem immer intensiveren Schwindel. Nach der zweiten Impfung hätten sich diese Symptome weiter verstärkt. Noch heute habe sie ein unsicheres Gangbild, wäre fallgeneigt und müsse regelmäßig gestützt werden.

Dies führe zu einer sehr geringen Belastbarkeit und weiteren Folgebeeinträchtigungen. Daher beansprucht sie von der Beklagten einen immateriellen Schadensersatz von 100.000 EUR sowie die Feststellung der Ersatzpflicht des Herstellers für materielle Schäden.

Weil sie mit ihrer Klage in der ersten Instanz vor dem LG Mainz scheiterte (siehe Urteil vom 14.01.2023 – 9 0 37/23), zog sie mit einer Berufung vor das OLG Koblenz. Dort erweiterte sie ihre Klage um einen Auskunftsanspruch.

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OLG Koblenz: Positives Nutzen-Risiko-Verhältnis beim Impfstoff Comirnaty


Auch vor dem 5. Zivilsenat des OLG Koblenz blieb der Erfolg der Klage aus. Der Senat hat die Berufung zurückgewiesen. Allerdings ließ er die Revision zum BGH zu. Die tragenden Überlegungen des Senats:  

  • Positives Nutzen-Risiko-Verhältnis beim Impfstoff:  Der Senat ist von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis des eingesetzten mRNA-Impfstoffes überzeugt. Dabei legte er den Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 26.06.2024 zugrunde, den er auf den Zeitpunkt der Impfungen projiziert hatte. Zudem stütze der seine Ansicht auf den Wissensstand der Europäischen Arzneimittelagentur und deren Ausschüsse sowie auf die Erkenntnisse des nationalen Paul-Ehrlich-Instituts.
  • Zwar kein 100 %-iger Schutz: Zudem meinte der Senat, dass es bezogen auf die Gesamtheit aller Personen, die potentiell geimpft werden konnten, keinen 100 %-igen Schutz gebe, was allerdings auch keine versprochene Wirkung des Impfstoffs wäre.
  • Aber - bekannte Nebenwirkungen als vertretbare Opfer: Zwar sah der Senat auch die Risiken in Form von Nebenwirkungen, die sich schon vor der Zulassung zeigten. Doch auch insoweit hat der Nutzen dem Senat zufolge die Risiken bei Weitem überwogen. Zudem werde dem Betroffenen hinsichtlich dieser Risiken ein vertretbares Opfer zum Nutzen der Gesamtheit abverlangt. Aus der Realisierung derartiger Risiken im Einzelfall könne deshalb nicht auf die Unwirksamkeit des Arzneimittels im Allgemeinen geschlossen werden, mit der Folge, dass das betreffende Risiko schwerer wiegen würde als der allgemeine Nutzen.
  • Keine falsche Kennzeichnung: Auch eine unrichtige Kennzeichnung, falsche Fach- oder Gebrauchsinformationen zu dem mRNA-Impfstoff Comirnaty sah der Senat nicht. Vielmehr entsprechen die gesetzlich relevanten Produktinformationen dem jeweiligen Stand der medizinischen Erkenntnisse und wurden fortlaufend aktualisiert. Da die  Produktinformationen frei zugänglich waren, hätte auch die Klägerin Kenntnis nehmen können.
  • Kein Nachweis des Zusammenhangs zwischen Impfung und Schädigung:  Schließlich konnte die Klägerin nach Auffassung des Senats nicht nachweisen, dass die von ihr vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit den Impfungen stehen. Dabei betonte der Senat jedoch, dass die Frage nicht mehr entscheidungserheblich war. Ebensowenig habe die Klägerin Bezug auf ihre Auskunftsklage im Berufungsverfahren hinreichenden Indizien vorgetragen, die zur Annahme führen können, dass der Impfstoff ursächlich für ihre Beschwerden war.
Quelle: PM des OLG Koblenz vom 11.07.2024 zum Urteil vom 10.07.2024 – 5 U 1375/23


Probates Prüfungsmittel

Arzneimittel - Rezeptprüfung, Beratung und Regress


Textmaterial und Erläuterungen unter anderem zu folgenden Themen:

  • Prüfung im Bereich der Arzneimittelhersteller, inkl. Kommentar zur PackungsgrößenVO
  • Prüfung im Apothekenbereich, u. a. mit Kommentar zum Arzneiversorgungsvertrag Ersatzkassen/DAV
  • Prüfung der ärztlichen Verordnung: ArzneimittelRLen mit Anlagen, RL zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen, Prüfungs-, Plausibilitäts- und Sprechstundenbedarfsvereinbarungen sowie Vereinbarungen von Arznei- und Heilmittelbudget, Richtgrößen und Zielvereinbarungen u.v.a.m.
  • Gesetze, Verordnungen, Erlasse und WirtschaftlichkeitsprüfungsVO 
  • Rechtsprechung zu diesen Schwerpunkten: Verordnungsfähigkeit einzelner Präparate und Präparategruppen, Verfahren der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise, Negativ-, Preisvergleichs- und Transparenzlisten und Retaxierung von Apotheken
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Im Wortlaut: § 84 AMG – Gefährdungshaftung
(1) Wird infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich dieses Gesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen nicht unerheblich verletzt, so ist der pharmazeutische Unternehmer, der das Arzneimittel im Geltungsbereich dieses Gesetzes in den Verkehr gebracht hat, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht besteht nur, wenn

1. das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen oder

2. der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist.

(2)
 Ist das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet, den Schaden zu verursachen, so wird vermutet, dass der Schaden durch dieses Arzneimittel verursacht ist. Die Eignung im Einzelfall beurteilt sich nach der Zusammensetzung und der Dosierung des angewendeten Arzneimittels, nach der Art und Dauer seiner bestimmungsgemäßen Anwendung, nach dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Schadenseintritt, nach dem Schadensbild und dem gesundheitlichen Zustand des Geschädigten im Zeitpunkt der Anwendung sowie allen sonstigen Gegebenheiten, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung sprechen. Die Vermutung gilt nicht, wenn ein anderer Umstand nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen. Ein anderer Umstand liegt nicht in der Anwendung weiterer Arzneimittel, die nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet sind, den Schaden zu verursachen, es sei denn, dass wegen der Anwendung dieser Arzneimittel Ansprüche nach dieser Vorschrift aus anderen Gründen als der fehlenden Ursächlichkeit für den Schaden nicht gegeben sind.

(3) Die Ersatzpflicht des pharmazeutischen Unternehmers nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist ausgeschlossen, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels ihre Ursache nicht im Bereich der Entwicklung und Herstellung haben.

 § 84a AMG – Auskunftsanspruch

(1) Liegen Tatsachen vor, die die Annahme begründen, dass ein Arzneimittel den Schaden verursacht hat, so kann der Geschädigte von dem pharmazeutischen Unternehmer Auskunft verlangen, es sei denn, dies ist zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 84 besteht, nicht erforderlich. Der Anspruch richtet sich auf dem pharmazeutischen Unternehmer bekannte Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie ihm bekannt gewordene Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen und sämtliche weiteren Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen von Bedeutung sein können. 3 Die §§ 259 bis 261 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden. Ein Auskunftsanspruch besteht insoweit nicht, als die Angaben auf Grund gesetzlicher Vorschriften geheim zu halten sind oder die Geheimhaltung einem überwiegenden Interesse des pharmazeutischen Unternehmers oder eines Dritten entspricht.
 

(ESV/bp)

Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung