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ArbG Iserlohn: Anordnung der Quarantäne durch Gesundheitsbehörde ist keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Foto: Alexander Raths /stock.adobe.com)
Entschädigungsansprüche nach behördlicher Quarantäneanordnung

ArbG Iserlohn zu Anspruch auf Entschädigung nach Quarantäne bei unterbliebener Impfung gegen Corona

ESV-Redaktion Recht
19.09.2022
Wer aufgrund einer Coronainfektion von einer Behörde in Quarantäne geschickt wird, kann Entschädigungsansprüche haben, wenn ihm hierdurch Verdienstausfälle entstehen. Mit den Voraussetzungen hierfür und der Bedeutung der Impfung gegen Corona hat sich das ArbG Iserlohn in einem kürzlich veröffentlichten Urteil befasst.
In dem Streitfall ging es um Ansprüche des Klägers gegen seine beklagte Arbeitgeberin aufgrund einer behördlich angeordneten Quarantäne. Der Kläger war bei der Beklagten bei einem Nettogehalt von 2.950 EUR brutto im Monat beschäftigt. Er hatte sich mit Corona infiziert und war laut Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) seines Hausarztes vom 04.11.2021 bis zum 09.11.2021 krankgeschrieben.

Am 07.11.2021 ordnete der Märkische Kreis ihm gegenüber – zunächst telefonisch – für die Zeit vom 05.11.2021 bis einschließlich den 19.11.2021 eine häusliche Quarantäne an. Diese bestätigte der Kreis mit Schreiben vom 07.11.2021. Mit einer E-Mail vom 26.11.21 erhielt der Kläger von der Behörde dann unter anderem noch den Hinweis, dass die Quarantäne-Anordnung auch als „Bescheinigung für den Arbeitgeber fungieren“ würde. Nach seinem weiteren Vortrag hatte der Kläger von seinem Hausarzt die Auskunft erhalten, dass dieser ihm für die Quarantänezeit keine AUB ausstellen könne, weil das Gesundheitsamt insoweit die Einzelheiten klären würde.

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Weil die Beklagte dem Kläger anschließend lediglich für die Zeit der nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit vom 04.11.2021 bis zum 09.11.2021 im Wege der Lohnfortzahlung einen Betrag von 1.877,27 EUR auszahlte, klagte er für die Zeit der Quarantäne einen weiteren Betrag von 1.072,73 EUR brutto ein.

Beklagte: Ungeimpfter Kläger hat weder Ansprüche aus dem IfSG noch aus dem Aspekt der Lohnfortzahlung

Die Beklagte meinte, dass der Kläger keinen Zahlungsanspruch für die Quarantänezeit hat, weil er nicht gegen Corona geimpft war. Da er auch keine AUB vorgelegt hatte, ergebe sich für den Kläger weder ein Anspruch aus dem EFZG noch aus § 56 IfSG. Jedenfalls seien die Äußerungen der Gesundheitsbehörde im Zusammenhang mit der die Anordnung der Quarantäne nicht als AUB zu werten.

Kläger: Beklagte hat nicht bewiesen, dass Impfung die Quarantäne verhindert hätte:

Nach Ansicht des Klägers hätte jedoch die beklagte Arbeitgeberin darlegen und beweisen müssen, dass eine Corona-Impfung die Quarantäne verhindert hätte.

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ArbG Iserlohn: Anordnung Quarantäne ersetzt nicht die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit (ABU)

Die Klage hatte vor dem ArbG Iserlohn keinen Erfolg. Nachdem das Gericht in Bezug auf den Rechtsweg zunächst zwar feststellte, dass die Arbeitsgerichte auch für die Prüfung von Ansprüchen im Zusammenhang mit dem IfSG zuständig sein können, sah es aber keine materiellrechtliche Rechtsgrundlage für die klägerischen Ansprüche. Die tragenden Grunde des Gerichts:
 
  • Vortrag der Arbeitsunfähigkeit nicht ersichtlich: Zunächst betonte das Gericht, dass Ansprüche aus dem Aspekt der Lohnfortzahlung nur dann bestehen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit daran gehindert ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Der Kläger hatte für den Zeitraum der Quarantäne aber gar keine Krankheitssymptomatik dargelegt. Er hatte lediglich vorgetragen, dass er sich aufgrund einer behördlichen Anordnung absondern musste. 
  • Keine Vorlage einer AUB: Das Gericht sah es als unerheblich an, dass der Hausarzt dem Kläger keine AUB ausstellen wollte. Auch in den Mitteilungen des Märkischen Kreises sah das Gericht keine AUB im Sinne von § 3 Absatz 1 Satz 1 EFZG (siehe unten).
  • Kein Eingreifen von § 616 BGB (siehe unten): Darüber hinaus greift der möglicherweise anspruchserhaltende § 616 BGG dem Gericht zufolge nicht. Insoweit betont das Gericht, dass die Impfeffektivität nach dem Lagebericht des RKI in dem betreffenden Zeitraum in der Altersgruppe des Klägers bei etwa 82 Prozent lag. Durch eine zumutbare und öffentlich empfohlene Impfung hätte die Qurantäneanordenung damit vermieden werden können. Da dies unterbleiben ist, war der Kläger nicht ohne sein Verschulden im Sinne von § 616 Absatz 1 Satz 1 BGB an der Dienstleistung verhindert.
  • Keine Ansprüche aus § 56 IfSG (siehe unten): Zwar sah das Gericht die beklagte Arbeitgeberin als richtige Anspruchsgegnerin im Hinblick auf einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 IfSG an, weil der Arbeitgeber die Entschädigung für die Behörde auszahlen muss. Der Anspruch scheiterte aber an § 56 Absatz 1 Satz 4 IfSG, weil der Kläger auch nach dieser Norm die Quarantäneanordnung mit einer Impfung hätte verhindern können.
Quelle: Urteil des ArbG Iserlohn vom 03.05.2022 – 2 Ca 1848/21
 


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Im Wortlaut: § 56 Absatz 1 IfSG – Entschädigung (Auszug)
(1) 1Wer auf Grund dieses Gesetzes ... Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt … und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. 2Das Gleiche gilt für eine Person, die … abgesondert wird. [...]  4Eine Entschädigung … erhält nicht, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung … eine Absonderung hätte vermeiden können.

§ 3 Absatz 1 Satz 1 EFZG – Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

(1) 1Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. [...]

§ 616 BGB Absatz 1 satz 1 - Vorübergehende Verhinderung

1Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. [...]

   
(ESV/bp) 
 

Programmbereich: Arbeitsrecht