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Text- und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ist die automatisierte Analyse von digitalen Werken, um daraus Informationen zu gewinnen (Foto: putilov_denis / stock.adobe.com)
Urheberrechtliche Schranken

OLG Hamburg zur Frage, wann Fotografien ohne Lizenz für KI-Training genutzt werden dürfen

ESV/Redaktion Recht
12.12.2025
Die rasante Entwicklung von KI beruht unter anderem auf massiven Datenmengen, die häufig frei über das Internet zugänglich sind. Dabei gibt es ein großes Spannungsfeld zwischen der Forschung, die große Datenbestände für maschinelles Lernen braucht und den Rechten der Urheber. Die zentrale Frage lautet hier: Wo ist die Grenze zwischen dem wissenschaftlich legitimierten Interesse und der unzulässigen Verwertung geschützter Inhalte? Hierüber hat das OLG Hamburg aktuell entschieden.
In dem Streitfall wendete sich der Kläger – ein Berufsfotograf – gegen einen Verein, der ein sogenanntes Dataset für Bild-Text-Paare öffentlich und kostenfrei zur Verfügung stellt. Das Set besteht aus einem Tabellendokument, das Hyperlinks zu Bildern bzw. Bilddateien enthält, die im Internet öffentlich abrufbar sind. Darüber hinaus können weitere Informationen zu den Bildern sowie eine Bildbeschreibung abgerufen werden. Mit dem Datensatz ist es möglich, generative KI-Modelle zu trainieren.

Bei der Erstellung des Datensatzes lud der Beklagte auch ein Foto von der Webseite einer Bildagentur herunter, um das Bild und die Bildbeschreibung abzugleichen.

Der Fotograf meint, dass die Vervielfältigung, die der Verein erstellt hat, seine Rechte an dem Bild verletzt und klagte vor dem LG Hamburg auf Unterlassung. Weil das LG die Klage mit Urteil vom 27. September 2024 abgewiesen hatte, zog der Kläger mit einer Berufung vor das OLG Hamburg.

Der Hintergrund


Datensätze – wie in dem Streitfall – werden in der Regel von gemeinnützigen oder wissenschaftlichen Initiativen erstellt, die selbst keine kommerziellen Interessen verfolgen. Ihr Ziel besteht darin,  Grundlagenmaterial für Forschung und Entwicklung bereitzustellen. Weil die in den Datensätzen referenzierten Bilder urheberrechtlich geschützt sind, stellen diese Organisationen nicht die Bilddateien selbst zur Verfügung. Vielmehr setzen sie Hyperlinks zu den frei zugänglichen Originalquellen und den begleitenden Metadaten wie Beschreibungen oder Kontextinformationen. Für KI-Modelle ist dies technisch ausreichend, um große Mengen an Bild-Text-Paaren auszuwerten und aus ihnen zu lernen. Die eigentliche KI-Entwicklung findet anschließend bei Dritten statt.

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OLG Hamburg: Nutzung der Fotografie gerechtfertigt


Der 5. Zivilsenat des OLG Hamburg bestätige das erstinstanzliche Urteil im Ergebnis. Demnach hat der Kläger keinen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen den beklagten Verein. Die wesentlichen Erwägungen des Senats:


Zum Text- und Data Mining


  • Schranke von § 44b UrhG einschlägig: Nach Ansicht des Senats kann sich der Beklagte auf die Schrankenregelungen zum Text- und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG (siehe unten) berufen. Diese Norm definiert die benannte Nutzung als automatisierte Analyse von digitalen Werken, um daraus Informationen – insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen – zu gewinnen. Diese Voraussetzungen sind dem Senat zufolge gegeben.
  • Kein wirksamer Nutzungsvorbehalt: Weil der Kläger seine Bilder über eine Agentur verwertet hatte, würde zu seinen Gunsten als Rechtsinhaber auch ein Nutzungsvorbehalt gelten, den die Agentur aufgestellt hatte. In der Tat hatte die Bildagentur über ihre Webseite einen Nutzungsvorbehalt aufgestellt. Dieser erfüllte aber nicht die nach § 44b Absatz 3 Satz 2 UrhG (siehe unten) vorgesehene Form der Maschinenlesbarkeit. Der Vorbehalt muss  so bereitgestellt werden, dass Computerprogramme ihn automatisch erkennen können. Dies war dem Senat zufolge nicht gegeben, sodass  die streitgegenständliche Nutzung im Ergebnis zulässig war, so der Senat weiter.


Zur wissenschaftlichen Nutung der Datensätze


Der Senat bestätigte außerdem die Einschätzung der Vorinstanz, nach der die Nutzung der Fotografie auch deshalb erlaubt war, weil sie für wissenschaftliche Forschung im Sinne von § 60d UrhG (siehe unten) vorgenommen wurde. Demnach ist die Erstellung des Datensatzes ein nachvollziehbares wissenschaftliches Vorgehen, das auf neue Erkenntnisse abzielt und daher zur angewandten Forschung gehört.

Unerheblich ist dabei, dass später auch kommerzielle Unternehmen den Datensatz nutzen können. Vielmehr kommt es darauf an, dass diese Unternehmen keinen Einfluss auf die Forschungseinrichtung haben, die den Datensatz erstellt. Insoweit meinte der Senat auch, dass es für die Nutzung zu wissenschaftlichen Zwecken nach § 60 d Urheberrechtsgesetz keine Möglichkeit eines Vorbehalts gebe.

Der 5. Senat Des OLG Hamburg hat die Revision zum BGH zur Rechtsfortbildung zugelassen.

Quelle: PM des OLG Hamburg vom 10.12.2025 zum Urteil vom selben Tag – 5 U 104/24

 


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Im Wortlaut:  § 44b UrhG – Text und Data Mining
(1) Text und Data Mining ist die automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digitalisierten Werken, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen.

(2) Zulässig sind Vervielfältigungen von rechtmäßig zugänglichen Werken für das Text und Data Mining. Die Vervielfältigungen sind zu löschen, wenn sie für das Text und Data Mining nicht mehr erforderlich sind.

(3) Nutzungen nach Absatz 2 Satz 1 sind nur zulässig, wenn der Rechtsinhaber sich diese nicht vorbehalten hat. Ein Nutzungsvorbehalt bei online zugänglichen Werken ist nur dann wirksam, wenn er in maschinenlesbarer Form erfolgt.

§ 60d UrhG – Text und Data Mining für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung
(1) Vervielfältigungen für Text und Data Mining (§ 44b Absatz 1 und 2 Satz 1) sind für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen zulässig.

(2) Zu Vervielfältigungen berechtigt sind Forschungsorganisationen. Forschungsorganisationen sind Hochschulen, Forschungsinstitute oder sonstige Einrichtungen, die wissenschaftliche Forschung betreiben, sofern sie

1. nicht kommerzielle Zwecke verfolgen,

2. sämtliche Gewinne in die wissenschaftliche Forschung reinvestieren oder

3. im Rahmen eines staatlich anerkannten Auftrags im öffentlichen Interesse tätig sind.

Nicht nach Satz 1 berechtigt sind Forschungsorganisationen, die mit einem privaten Unternehmen zusammenarbeiten, das einen bestimmenden Einfluss auf die Forschungsorganisation und einen bevorzugten Zugang zu den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung hat.


(ESV / Bernd Preiß)

Programmbereich: Wirtschaftsrecht