
BGH zu Verzögerungen bei Klagezustellung, die sowohl durch Fehler des Gerichts als auch durch Fehler des Klägers verursacht wurden
Mit seiner Kostenrechnung vom 27.12.2018 forderte das LG Berlin dann den Gerichtskostenvorschuss an, den die Klägerin am 11.01.2019 entrichtete. Am 23.01.2019 legte der Zusteller die Klage dann in den Briefkasten eines Dritten ein, den der Zusteller an der früheren Anschrift der Beklagten vorfand. Der Dritte sendete den Klageschriftsatz an das Gericht mit dem Vermerk zurück, dass es dort kein Unternehmen mit dem Namen der Beklagten gibt. Diese Mitteilung ging am 04.02.2019 beim LG ein.
In der Sache gab das LG Berlin mit seiner Entscheidung vom 23.03.2022 (101 O 53/19) dem Hauptsache-Antrag der Klage in Höhe von 11.237,97 EUR statt und wies die Klage im Übrigen ab. Gegen die erstinstanzliche Entscheidung zogen beide Parteien mit einer Berufung vor das Kammergericht (KG) in Berlin.
KG: Alle Verzögerungen der Zustellung beruhen auf falscher Adressierung durch Klägerin
Mit einer Revision, die das KG zuließ, zog die Klägerin dann vor den BGH. Das Berufungsgericht traf keine Feststellungen dazu, wann der Klägerin die Kostenrechnung vom 27.12.2018 tatsächlich zugegangen ist.
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BGH: Klage wurde noch „demnächst“ zugestellt
Der VII. Zivilsenat des BGH folgte der Ansicht des KG nicht. Er hob das Berufungsurteil auf und wies die Sache an das KG zurück. Nach Auffassung des Senats durfte die Klage nicht wegen Verjährung abgewiesen werden. Die wesentlichen Erwägungen des Senats:
- Verjährung gehemmt: Einig war sich der Senat mit der Berufungsinstanz, dass die Klageforderung prinzipell mit Ablauf des 31.12.2018 verjährt gewesen wäre. Entgegen der Auffassung des KG wurde die Verjährung aber durch Erhebung der Klage nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt, so der Senat.
- Klagezustellung noch „demnächst“: Demnach wirkt die Zustellung der Klage an die Beklagte am 12.02.2019 auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung am 29.11.2018 zurück, weil die Klage noch „demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO zugestellt wurde.
- Nur die falsche Adressierung geht zu Lasten der Klägerin: Nach den weiteren Ausführungen des Senats geht nur der Teil der Verzögerung zu Lasten der Klägerin, die unmittelbar auf die falsche Adressierung zurückzuführen ist. Insoweit kam der Senat jedoch zu dem Ergebnis, dass die Zustellung der Klage nur um zwölf Tage verzögert wurde. Diese Zeitspanne bewegte sich dem Senat zufolge noch innerhalb des zeitlichen Rahmens von 14 Tagen.
- Keine Haftung der Klägerin für „Verzögerungen im Geschäftsablauf des Gerichts“: Die weitere Verzögerung, die durch den Fehler des Zustellers entstanden ist, wertete der Senat als „Verzögerung im Geschäftsablauf des Gerichts“. Der Umstand, dass der Zusteller die Klage aufgrund der falschen Anschrift an das Gericht hätte zurückgeben müssen, sei nicht dem Kläger anzulasten, meint der Senat.
- Pünktliche Zahlung des Gerichtskostenvorschusses: Der Senat ging – mit der Vorinstanz – zugunsten der Klägerin auch davon aus, dass diese die Gerichtskostenrechnung vom 27.12.2018 erst am 07.01.2019 erhalten hat. Dies entnahm der Senat dem Datum des Eingangsstempels der Kopie der Kostenrechnung, den die Klägerin als Anlage K 11 vorgelegt hatte. Damit gab es auch bei der Zahlung des Gerichtskostenvorschusses, der am 11.01.2019 bei Gericht einging, keine Verzögerung, die die Klägerin zu vertreten hätte.
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(ESV/bp)
Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht