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OLG Stuttgart: Die Zustellperson trifft keine Feststellungen zur Wohnsituation des Empfängers (Foto: BRH / stock.adobe.com)
Zustellung von Schriftstücken

OLG Stuttgart zum Umfang der Beweiskraft einer Zustellungsurkunde

ESV-Redaktion Recht
21.05.2025
Beweist eine Zustellungsurkunde, dass der Zustellungsempfänger tatsächlich an der Zustellungsanschrift wohnt? In einem Fall vor dem OLG Stuttgart stritten die Parteien unter anderem um die wirksame Ersatzzustellung eines Vollstreckungsbescheides. Allerdings trug die Beklagte vor, nicht mehr unter der Zustelladresse zu wohnen und hielt die Zustellung für unwirksam.
In dem Streitfall wollte die Klägerin gegen die Beklagte Rückzahlungsansprüche wegen einer Kontoüberziehung per Mahnverfahren durchsetzen. Nach Erlass des Mahnbescheides ließ die Klägerin den Vollstreckungsbescheid am 29.06.2024 durch Einlegen in den Briefkasten zustellen.
 
Hiergegen wendete sich die Beklagte über ihren Anwalt mit Schreiben vom 17.10.2024 mit einem Widerspruch gegen den Mahnbescheid sowie mit einem Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid. Das Schreiben ging noch am selben Tag beim Mahngericht ein.
 
Nach Auffassung der Beklagten wurde ihr weder der Mahnbescheid noch der Vollstreckungsbescheid wirksam zugestellt, da sie bereits am 01.09.2023 umgezogen war und sich nach ihrem weiteren Vortrag ordnungsgemäß und fristgerecht beim zuständigen Einwohnermeldeamt umgemeldet hatte.
 
Nachdem das Verfahren an das LG Stuttgart abgegeben wurde, hat das LG die Klägerin mit Verfügung vom 06.11.2024 dazu aufgefordert, ihren Zahlungsanspruch zu begründen.
 
Daraufhin beantragte die Klägerin am 26.11.2024, den Einspruch der Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid als unzulässig zu verwerfen, und hat ihren Zahlungsanspruch unbegründet gelassen.
 
Die 14. Zivilkammer des LG Stuttgart folgte dem Antrag der Klägerin und hat den Einspruch der Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid mit Urteil vom 28.11.2024 als unzulässig verworfen (14 O 253/24). Hiergegen zog die Beklagte mit einer Berufung vor das OLG Stuttgart. 
 
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OLG Stuttgart: Beweiskraft einer Zustellungsurkunde bezieht sich nicht darauf, dass der Zustellungsempfänger auch tatsächlich unter der Zustellungsanschrift wohnt

 
Der 6. Zivilsenat des OLG Stuttgart hat das angegriffene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die wesentlichen Erwägungen des Senats:
 
  • Beweislast: Die Klägerin will mit der Postzustellungsurkunde den Beweis der Ersatzzustellung an die Wohnung der Beklagten erbracht haben. Dementsprechend habe die Beklagte den Gegenbeweis zu führen, so die Klägerin weiter. Diese Rechtsauffassung hält der Senat für unzutreffend. Demnach erstreckt sich die Beweiskraft einer Zustellungsurkunde nicht darauf, dass der Zustellungsempfänger tatsächlich auch unter der Zustellungsanschrift gewohnt hat, wobei sich der Senat auf die herrschende Meinung beruft. 
  • Zustellperson trifft keine Feststellungen zur Wohnsituation des Empfängers: Anschließend betont der Senat, dass die Zustellperson die Wohnsituation des Empfängers nicht feststellt und diese auch nicht beurkundet. Auch die Klägerin hat keine Tatsachen zur Wohnsituation der Beklagten vorgetragen. 
  • Rechtsschein für Wohnung an Zustelladresse scheidet aus: Auch eine erweiterte Auslegung, nach der dem Empfänger der Rechtsschein einer Wohnung zurechenbar sein soll, lehnte der Senat ab. Demnach haben die Zustellungsvorschriften aufgrund der Wahrung des Grundrechts auf rechtliches Gehör und im Interesse der Rechtssicherheit einen rein formalen Charakter. Dem Senat zufolge ist es deshalb nicht geboten, durch Auslegung eine Zustellung auch dort zuzulassen, an dem nur der Anschein einer Wohnung vorliegt. Denn die Voraussetzungen, unter denen ein solcher Anschein angenommen werden kann, hängen entscheidend von den konkreten örtlichen Verhältnissen ab. Dies schaffe Rechtsunsicherheiten, die dem Zweck der rechtlichen Vorgaben widersprechen, so der Senat weiter. 
  • Keine Hinweise für Täuschung über Wohnsitz: Schließlich sah der Senat auch keine Hinweise dafür, dass die Beklagte die Klägerin über ihren Wohnsitz getäuscht hat.
Der Senat hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

Quelle: Urteil des OLG Stuttgart vom 13.05.2025 – 6 U 153/24


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Bearbeiter: Björn Frische, Prof. Dr. Oliver Horsky, Prof. Ulrich Keller


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(ESV/bp)

 

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht