
Dr. Rainer Burbulla: „In der Tendenz bejahen die Gerichte vermehrt Mietreduzierungen“
Zweitens ist denkbar, von einer Unmöglichkeit des (Geschäfts-)Betriebs in den Mietflächen auszugehen (§ 275 BGB) in der Konsequenz, dass dann die Mietzahlungspflicht entfällt (§ 326 Abs. 1 BGB).
Drittens kann eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrages angenommen werden, die zur Vertragsanpassung, nämlich zu einer Mietreduzierung führt (§ 313 Abs. 1 BGB). Die ersten beiden Möglichkeiten (Sachmangel/Unmöglichkeit) werden von den Gerichten überwiegend verneint, wenngleich auch „Ausreißer“ vorliegen, wie etwa das Urteil des LG Kaiserslautern vom 13.04.2021 (4 O 284/20). Meines Erachtens ist der Dritte Weg (Störung der Geschäftsgrundlage) der zutreffende.
Zur Person |
Dr. Rainer Burbulla ist Rechtsanwalt und Partner der Langguth & Burbulla Rechtsanwälte PartG mbB in Düsseldorf. Er ist umfassend auf dem Gebiet des Gewerberaummietrechts sowohl vertragsgestaltend als auch forensisch tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind das Immobilien- und das Mietrecht sowie das Maklerrecht. Er ist Autor des im Erich Schmidt Verlag erschienenen Buchs Aktuelles Gewerberaummietrecht und Mitautor des Handbuchs Immobilienrecht. |
Auf der restriktiven Linie spielt die Existenzbedrohung respektive eine nahekommende unzumutbare wirtschaftliche Beeinträchtigung des Mieters eine Rolle. Denn auf dieser Linie wird verlangt, dass der Mieter zumindest eine Existenzgefährdung oder eine nahekommende unzumutbare wirtschaftliche Beeinträchtigung darlegt und beweist. Ein bloßer Hinweis auf Umsatzausfälle wird für nicht ausreichend erachtet.
Es stellt sich jedoch ausdrücklich auf den Standpunkt, dass die Anwendung der Norm nicht dazu führen kann, dass gesetzgeberische Wertungen umgangen werden. Vielmehr ist nach Sicht des Senats die Anwendbarkeit auf Ausnahmefälle beschränkt, bei denen ein Festhalten an der vereinbarten Regelung zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbaren Ergebnis führen würde.
Das wiederum lässt sich klar der restriktiven Linie zuordnen. Denn nach Auffassung des Senats könne eine Herabsetzung der Miete nicht nach einem objektiven Schema erfolgen, wie beispielsweise der hälftigen Herabsetzung unter vorheriger Anrechnung von tatsächlich erfolgten oder nur möglichen Hilfsleistungen. Denn dann würde die Vertragsanpassung lediglich an die Stelle der Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB treten, bei der es auf die Unzumutbarkeit der Zahlung der vollständigen Miete für den Mieter nicht ankommt.
Ein Abstellen auf den konkreten Fall bedeutet nach Sicht des Senats nicht nur, dass die tatsächlichen oder möglichen Hilfsleistungen für den Mieter in eine feststehende Formel eingefügt werden. Vielmehr erfordert eine Betrachtung aller konkreter Umstände des Einzelfalls auch gerade die Beachtung der wirtschaftlichen Situation des Mieters und auch des Vermieters. In diesem Zusammenhang kann es eine Rolle spielen, wie viele Jahre der Mietvertrag schon besteht und wie der Umsatz und Gewinn der letzten Jahre waren, so dass eine Möglichkeit bestand, Rücklagen zu bilden. Der Senat betont, dass sich jede schematische Betrachtungsweise verbietet.
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In einem weiteren Fall – diesmal vor dem OLG Frankfurt – hatte der Vermieter seine Zahlungsansprüche erfolgreich im Urkundenprozess eingeklagt. Welchen Sinn kann das aus Vermietersicht haben?
Dr. Rainer Burbulla: Aus meiner Praxis kann ich berichten, dass wir eine Vielzahl solcher Streitigkeiten gütlich beilegen konnten. Allerdings gab und gibt es auch vermehrt Fälle, bei denen die Parteien sich partout nicht einigen wollten bzw. wollen. Viele Vermieter sind auch vermehrt dazu übergegangen, Mietern zu helfen. Derzeit ist es allerdings so, dass viele Mieter Nachtragsvereinbarungen – wie etwa Mietreduzierungen etc. – angesichts der Ungewissheit, wann wieder Lockerungen erfolgen, schlichtweg nicht unterzeichnen und erst einmal abwarten wollen, wie es weitergeht.
Dr. Rainer Burbulla: Die maßgeblichen Änderungen sind mit Art. 240 § 7 EGBGB verbunden. Danach wird nun „grundsätzlich“ vermutet, dass Corona-bedingte Schließungen eine Störung der Geschäftsgrundlage zur Folge haben.
Das sog. normative Merkmal des § 313 Abs. 1 BGB, das dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden könne, wird allerdings von der Vermutungsregel nicht erfasst. Dabei stellt der Gesetzgeber darauf ab, dass im Rahmen der Zumutbarkeit zu prüfen sein wird, wie erheblich die Umsätze zurückgegangen sind und auch, ob der Mieter öffentliche oder sonstige Zuschüsse erhalten hat, mit denen er die Umsatzausfälle infolge staatlicher Beschränkungen jedenfalls teilweise kompensieren kann, und ob er Aufwendungen erspart hat – z.B. wegen Kurzarbeitergeld oder weggefallenen Wareneinkaufs.
Die andere Änderung betrifft das Zivilprozessrecht. So ist parallel mit den materiell-rechtlichen Änderungen zu § 313 BGB eine Änderung der Zivilprozessordnung mit der Einführung eines Vorrang- und Beschleunigungsgebots ergangen. Nunmehr ist in § 44 des „Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (EGZPO)" im Interesse der Gewerbetreibenden ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot statuiert.
Dieses Gebot gilt nicht nur in Verfahren, in denen der Mieter eine Anpassung der Miete nach § 313 BGB einklagt, sondern findet auch Anwendung, wenn der Mieter die Anpassung der Miete als Einrede gegen die Zahlungsklage des Vermieters erhebt, oder andere Anspruchsgrundlagen, wie etwa die Mietänderung für die Anpassung der Miete im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie herangezogen werden. Auf diese Weise soll erreicht werden, dass Streitigkeiten und Mietanpassungen vor Gericht schnell geklärt werden. So bezweckt das Gesetz insbesondere eine vorrangige Terminierung und enge Fristsetzung. Hier ist es allerdings so, dass sich zum Teil die Gerichte daran halten, zum Teil aber auch „herkömmliche“ Terminierungen und Fristsetzungen erfolgen, schlichtweg deshalb, da bei manchen Gerichten die Geschäftsstellen überlastet sind.
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Autor: Rechtsanwalt Dr. Rainer Burbulla |
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(ESV/bp)
Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht