
Dr. Rainer Burbulla: „Nunmehr aus Karlsruhe: 50/50-Lösung ist zu pauschal“
Herr Dr. Burbulla, auf welche Rechtsgrundlage hatte die Beklagte ihre Auffassung gestützt?
Die Ausgangsinstanz – das LG Chemnitz – verurteilte die Beklagte zur Zahlung der Miete für April 2020 in Höhe von 7.854,00 Euro. Das OLG Dresden hat die Entscheidung der ersten Instanz abgeändert und verurteilte die Beklagte nur einer Zahlung von nur 3.720,09 €. Wie hat das Berufungsgericht seine Entscheidung begründet?
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In einem vergleichbaren Fall sah das OLG München in einen Hinweisbeschuss die volle Mietzahlungspflicht nicht als ein untragbares Ergebnis an. Demnach liegt weder ein Sachmangel noch eine Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung vor. Auch eine Störung der Geschäftsgrundlage scheidet nach Auffassung der Münchner Richterkollegen aus – warum?
Deshalb sahen es die Münchener Richter anders als die Richter vom OLG Dresden, nämlich, dass eine Herabsetzung der Miete nicht nach einem objektiven Schema erfolgen kann, wie beispielsweise der hälftigen Herabsetzung unter vorheriger Anrechnung von tatsächlich erfolgten oder noch möglichen Hilfsleistungen. Denn dann würde die Vertragsanpassung lediglich an die Stelle der Minderung (§ 536 Abs. 1 BGB) treten, bei der es auf die Unzumutbarkeit der Zahlung der vollständigen Miete für den Mieter nicht ankommt.
Ein Abstellen auf den konkreten Fall bedeutet nach Sicht des OLG München nicht nur, dass die tatsächlichen oder möglichen Hilfsleistungen für den Mieter in eine feststehende Formel eingefügt werden. Vielmehr erfordere eine Betrachtung aller konkreter Umstände des Einzelfalles auch gerade die Beachtung der wirtschaftlichen Situation des Mieters, aber auch des Vermieters. Hierbei könne es eine Rolle spielen, wie viele Jahre der Mietvertrag schon besteht und wie der Umsatz und Gewinn (des Mieters) der letzten Jahre waren, so dass eine Möglichkeit bestand, Rücklagen zu bilden. Da die wirtschaftliche Situation des Mieters „in Gänze“ zu berücksichtigen sei, könne es bei einem Konzern sogar auf die Konzernmutter ankommen.
Zur Person |
Dr. Rainer Burbulla ist Rechtsanwalt und Partner der Langguth & Burbulla Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB in Düsseldorf. Seit Beginn seiner Tätigkeit ist er umfassend auf dem Gebiet des Gewerberaummietrechts sowohl vertragsgestaltend als auch forensisch tätig. Seine weiteren Tätigkeitsschwerpunkte sind das Immobilien- und das Mietrecht sowie das Maklerrecht. Er ist Autor des im Erich Schmidt Verlag erschienenen Buchs Aktuelles Gewerberaummietrecht. Als Autor hat Burbulla auch am Handbuch Immobilienrecht mitgewirkt. |
In dem Streitfall vor dem XII. Zivilsenat des BGH (ZR 8/21 vom 12.012021) verlangt die Klägerin mit ihrer Revision nach wie vor die volle Miete. Wie der hat der Senat die Sache entschieden?
Der XII. Zivilsenat des BGH ist allerdings der Auffassung, dass im Falle einer Geschäftsschließung, die aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie erfolgt, grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) in Betracht kommt. Hier sind nach Sicht der Karlsruher Richter allerdings alle Umstände des Einzelfalles relevant.
Von Bedeutung ist insoweit zunächst, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind. Diese werden bei einem gewerblichen Mieter primär in einem konkreten Umsatzrückgang für die Zeit der Schließung bestehen, wobei jedoch nur auf das konkrete Mietobjekt und nicht auf einen möglichen Konzernumsatz abzustellen sei.
Zu berücksichtigen sei auch, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern. Bei der Prüfung der Unzumutbarkeit sind weiterhin auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat, wobei staatliche Unterstützungsmaßnahmen, die nur auf Basis eines Darlehens gewährt wurden, unberücksichtigt blieben. Eine tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters ist nicht erforderlich. Nicht zuletzt sind bei der gebotenen Abwägung auch die Interessen des Vermieters in den Blick zu nehmen. Deshalb hob der BGH die Entscheidung des OLG Dresden auf und verwies den Rechtsstreit zurück mit der Folge, dass das OLG Dresden die Sache noch einmal verhandeln muss.
Wie bewerten Sie die Entscheidung?
Dr. Rainer Burbulla: Aus meiner Sicht ist die Entscheidung zutreffend. Es hat sich gezeigt, dass eine generelle Regelung tatsächlich zu pauschal ist und nicht die jeweiligen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Zum einen konnten die Einzelhändler zum Teil ihre Umsätze in 2021 nicht unbeträchtlich steigern. So hat auch der HDE für das Gesamtjahr 2021 mit einem Umsatzplus von 1,5 % gerechnet. Das liegt vornehmlich daran, dass der Online-Handel immens an Stärke gewonnen hat.
Auf der anderen Seite war zu beobachten, dass viele Einzelhändler durchaus auch in wirtschaftliche Schwierigkeiten bzw. in eine wirtschaftliche Schieflage gerieten. Letztere konnten teilweise wiederum durch staatliche Überbrückungsmaßnahmen und Hilfsgelder abgefangen werden. Insoweit hat sich in der Praxis ein sehr diffuses Bild ergeben, was letztlich eine Pauschallösung – wie der BGH auch konstatiert – verbietet. Erfreulich sind insoweit an der BGH-Entscheidung die Klarstellungen, dass Konzern-Umsätze bei der Prüfung des Einzelfalles ebenso wenig zu berücksichtigen sind, wie staatliche Unterstützungsmaßnahmen, die auf Grundlage von Darlehen gewährt wurden.
Worauf sollten die Mietvertragsparteien künftig besonderen Wert legen?
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Dr. Rainer Burbulla Aktuelles GewerberaummietrechtDas Gewerberaummietrecht ist stark von der Rechtsprechung geprägt und hat sich aus diesem Grunde zu einer Spezialmaterie entwickelt. Für Praktiker ist es daher eine Herausforderung, sich schnell in die komplexe Materie des Gewerberaummietrechts einzuarbeiten.Entsprechend ihrer praktischen Bedeutung behandelt dieses Werk die aktuellen Rechtsprechungsentwicklungen und gibt Hinweise zur Vertragsgestaltung. Die weiteren Schwerpunkte der Darstellung:
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01.03.2021 |
OLG Dresden: Gewerberaummiete für geschlossenes Geschäft im Corona-Lockdown ist anzupassen | |
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Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht